CHARLES ASHBEE ALS ARCHITEKT UND
BAUMEISTERNP VON B. RENDELL-LONDON
i i! _ , N der Aprilnummer des vorigen jahres von
' ' „Kunst und Kunsthandwerk" erschien ein
Artikel über das Werk von C. R. Ashbee aus
der Feder von W. Fred. Unsere Absicht ist,
die darin gegebenen allgemeinen Umrisse
auszufüllen und der Betrachtung seiner
Verdienste als Architekt und Baumeister
einigen Raum zu widmen.
Das Ende des XIX. Jahrhunderts war
Zeuge einer plötzlichen Erkenntnis der ästhe-
tischen Möglichkeiten moderner Architektur. Entsprungen aus einigen
wenigen Fällen persönlicher Initiative, fasste die Bewegung rasch Wurzel,
und das Publicum ward gefesselt durch die Neuheit der Construction von
Stadthäusern, welche in bisher ungeahnter Combination ein malerisches
Aussehen, mit innerer Bequemlichkeit und Vomehmheit vereinigten.
Mr. Ashbee kann sich mit Fug und Recht das Verdienst zuschreiben,
die englische Architektur revolutionirt zu haben. Mit der Unabhängigkeit
des Handelns, die seine ganze Carriere charakterisirt, und mit jener Energie,
welcher es gelingt, Reformen durchzusetzen, machte er sich daran, nicht
allein einen Ersatz für jenes lang geduldete Schrecknis - das Londoner
Zinshaus - auszusinnen, sondern auch, es zu construiren. Wir wollen
nun sein Werk vom ästhetischen sowohl, als vom praktischen Stand-
punkt betrachten.
Das erste Augenmerk bei der Erbauung eines Stadthauses ist, den
zur Verfügung stehenden Raum bestens auszunützen, bis an die äussersten
Grenzen innerer Räumlichkeit zu gehen, ohne ein decoratives Äussere
ausseracht zu lassen. Die Unregelmässigkeit des äusseren Anblicks einiger
von Ashbees Häusem ist seinem Axiom zuzuschreiben, dass ein Haus in
erster Linie dazu bestimmt ist, bewohnt zu werden, und in zweiter Linie,
um angesehen zu werden. Darin steht er in directem Gegensatze zu dem
Ziele des englischen Durchschnitts-Architekten, welcher jedes von ihm
geplante Haus als schreiende Reclame für sich selbst verwertet, und nur
das Auge des Vorbeigehenden zu fesseln sucht, ohne sich um das
Unbehagen der Bewohner schlecht beleuchteter und unventilirter Räume
zu kümmern. Diese Frage des Lichtes und der richtigen Anbringung der
Fenster ist für Ashbee eine Sache von eminenter Wichtigkeit. Deshalb schert
er sich nicht um die Symmetrie der Anordnung. Er placirt das Fenster
genau dort, wo es gebraucht wird, und regulirt demgemäss seine Form
und Grösse. Die Fensterformen, die er am meisten bevorzugt, sind das
Achteck, das convexe, und das lange, tiefe Fenster mit Steinsims und
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