lose Lithographie und gelegentliche, experimentell betriebene Verfahren zu
plötzlicher Blüte gelangten.
Die große Menzel-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, zu seinem
achtzigsten Geburtstag, hat diesen zeichnenden Menzel der ersten Periode
mit dem malenden der zweiten zu konfrontieren gewußt. Er malte zwar
auch anno dazumal und die Friedrich-Szenen in Berlin, mit ihren blitzenden
Kronleuchtern und spiegelnden Parkettböden, sind für jene Zeit gewiß
„brillante" Malerei. Aber dieselben Motive haben doch in seinen Holz-
schnitten etwas Urwüchsigeres, Überzeugenderes. Er empfand von der
Zeichnung aus und fügte die Farbe als ein Accidens hinzu. Als das deutsche
Auge seine Farbenfähigkeit entdeckte, ging Menzeln das Neue sofort in voller
Glorie auf. Die Pariser Weltausstellung von 1867 hatte eine eigene Augen-
klinik, wo graue Staare gestochen wurden. Auch unser Pettenkofen, der es
soviel weniger nötig hatte als Menzel, kam von dort farbiger zurück. Dort
herrschten damals Meissonnier und Geröme, die übersoignierten Modell-
maler. Nur einen Augenblick blendeten sie den Wiener und Berliner, beide
schüttelten das bald wieder ab. Wunderbar genug, daß Menzel, dessen
Lebendarstellungen so von Wirklichkeit strotzen, durchaus nicht der pein-
liche Modellpinsler war, wie sein berühmter Pariser Kollege. Wenn er einen
Hofball malte oder das Volksgetümmel Unter den Linden bei der Abreise
des Königs nach dem Kriegsschauplatz, so kam doch das Meiste aus seinem
fabelhaften Sachengedächtnis, es saß ihm längst im Augenhintergrunde und
im Handgelenk. Aber er war ein solcher Immerzeichner, Tag und Nacht,
mit beiden Händen, sogar im Eisenbahncoupe, daß er Archive von Notizen
aus der Wirklichkeit besaß, die er dann nach Belieben in seine Augenblicks-
bilder streuen konnte. Menzel als Notizenmacher, mit dem winzigen
Skizzenbüchlein sich zwischen Courschleppen hin und wieder schlängelnd,
Toilettendetails, Orden, Prolile und Geberden fixierend, war ja ein
Berliner Typ, auf den man stolz war. In seinen Szenen aus dem Leben der
Massen lebt ein photo-stenographischer Reportergeist, der ganz von unserer
Zeit ist. Selbst das kaum mehr Haschbare hascht er, lange vor Erfindung
des snap-shot; man erinnere sich nur an seine kleinen Windstudien
mit allen den grotesken Kampfstellungen, die der Sturm den Leutchen und
ihrer Toilette aufzwingt. Er war in unserer Zeit der früheste, der diese
Dinge so scharf beachtete, lange bevor moderne Husch-Husch-Meister sich
ihnen widmeten und ihr Gedächtnis auf Nachbilder übten. In so manchem
war er so voraus; in Auffassungen und Einkleidungen, im Anschneiden
neuer malerischer Gebiete. Man erinnere sich an den Lärm, den seine stark
semitisch gefärbten Szenen aus den Evangelien erregten. Auf diesen Lärm
hatte er es natürlich dabei gar nicht abgesehen gehabt, sondern war bloß
einem augenblicklichen Wahrheitstik gefolgt. Dann sprang er davon wieder
ab. Oder wie neu, wie groß, wie stark war seine Vision von der Arbeit, vom
Arbeiter des eisernen Zeitalters in seinem „Eisenwalzwerk" (1875). Ihm
reizte dabei gewiß nicht das sozialistische Moment, sondern das malerische;