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Volltext: Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts : ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung, Band 2: Hochbau und Architektur, Plastik und Kunstsammlungen

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Humanitätsanstalten. 
wählt, so daß man von dem Arkadenportikus der Kapelle einen herrlichen Blick über Wien 
und seine Umgebung genießt, während von den Veranden, welche den nach Südosten ge 
wendeten Wohn- und Schlafräumen der Pfleglinge vorliegen, die waldigen Höhen des kaiser 
lichen Tiergartens weit hinaus zu überblicken sind. Das Untergeschoß, welches im Flügeltrakte 
das angrenzende Terrain durchgehends überragt, enthält die Tages- und Wirtschaftsräume der 
Anstalt, während der nach Nordosten gewendete Haupttrakt an höheres Terrain anschließt, 
deshalb in diesem Geschosse nur Kellerräume und unter der Kapelle, um ein weiteres Ge 
schoß tiefer, eine Gruft aufnimmt. Der Obergeschoßgrundriß und die Ansicht der Anstalt 
lassen den Charakter des Hauptgebäudes erkennen. Die Ausstattung des Rekonvaleszentenheims 
ist eine in jeder Beziehung musterhafte. Von den zur Anstalt gehörigen Gartenanlagen und 
Wiesen im Ausmaße vön 45.226 m- sind 17.702 m 2 umfriedet und 1398 m 2 überbaut.^ Weicht 
schon die äußere Erscheinung der Anstalt in der malerischen Gruppierung und vornehm 
einfachen Gestaltung der Architektur von der unserer gewöhnlichen Nutzbauten in erfreulicher 
Weise ab, so erinnert auch ihr Inneres an die besten Zeiten italienischer Renaissance, in 
welchen Schöpfer solcher Anstalten sich selbst Denkmale bleibenden Wertes errichteten. Be 
sonders bemerkenswert ist das in der Kapelle angebrachte, auf Leinwand übertragene Fresko 
gemälde des umbrischen Malers la Spagna (15. Jahrhundert); zahlreiche Malereien und Bild 
werke in Marmor und Holz aus Italien, Frankreich und Spanien schmücken die Sakristeien 
und Gänge, während an der den hochliegenden Fenstern gegenübergelegenen Wand des 
längs der Sakristeien gezogenen Ganges die sieben (ausgeführt sechs) Werke der Barmherzigkeit 
und an der Stirnwand des Ganges Christus als guter Hirte von Wilhelm Steinhäuser, derzeit 
in Karlsruhe, in Freskomalerei ausgeführt wurden. Von demselben Künstler stammen die in 
der Wand der Sakristei eingelassenen Temperagemälde, die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten 
und St. Christophorus. 
Es seien nun noch einige Anstalten erwähnt, die allerdings außerhalb Wiens liegen, aber 
hauptsächlich dem Wohle der armen Kinderbevölkerung unserer Stadt zu dienen haben. 
Das Kaiserin Elisabeth-Kinderspital in Bad Hall 1 ), welches über einen Garten von 
15.633 m- verfügt, in welchem sechs teils adaptierte, teils neuerbaute Objekte angemessen 
gruppiert sind und 136 skrofulösen, zum größeren Teil aus Wien stammenden Kindern Raum 
bieten, um sie mit Hilfe der an Jod und Brom so reichen Haller Solquelle Heilung oder 
wenigstens Besserung finden zu lassen. 
Das Rekonvaleszentenheim in Weidlingau-), im Jahre 1888 für arme, aus den Spitälern 
Wiens entlassene Kinder im Alter von 4 bis 14 Jahren gegründet, liegt an der Westbahn in 
mitten hübscher Gartenanlagen auf einem Areale von 28.884 m 2 . Auf einer Anhöhe steht das 
mit seiner Hauptfront nach Süden gewendete Hauptgebäude, welches 40 Kindern Raum bietet, 
die im Hochparterre die Tagesräume und in den beiden Obergeschossen ihre Schlafsäle etc. 
finden. Vom 1. Mai bis letzten September werden jährlich 200 bis 230 Kinder aufgenommen 
mit einer Verpflegsdauer von zirka 25 Tagen. 
Seehospize und Asyle. In Wien hat auch seinen Sitz der Verein zur Errichtung und 
Förderung von Seehospizen und Asylen 3 ) für kranke, insbesondere skrofulöse und rachitische 
Kinder, dessen nächstes Ziel es ist, armen Kindern aus Wien unentgeltlich Unterkunft, Ver 
pflegung und ärztliche Behandlung zu bieten. Im Jahre 1888 eröffnete der Verein das Erz 
herzogin Maria Theresia-Seehospiz in San Pelagio bei Rovigno mit jetzt 190 Betten 
und im Jahre 1893 das Kaiser Franz Josef-Kinderhospiz zu Sulzbach bei Ischl mit 
gegenwärtig 60 Betten. Im Jahre 1903 wurden in San Pelagio 479 Kinder behandelt, von 
welchen 77-3% aus Wien stammten, im Asyl in Sulzbach 217 Kinder, von denen 82% aus 
Wien dahin gebracht wurden. 
3. AUF DEM PRINZIPE GEGENSEITIGER HILFE BERUHENDE KRANKENANSTALTEN. 
Das älteste Institut Wiens zur Pflege kranker Berufsgenossen ist das 
Privatkrankeninstitut für Handlungskommis (Konfraternität). 4 ) Dasselbe wurde im Jahre 
1765 durch Miete einiger Zimmer in damals bestandenen Spitälern errichtet und bezog im 
Jahre 1835 sein heutiges Heim VIII., Skodagasse 1. Im Jahre 1861 vergrößerte das Institut 
') Bericht über die ersten 41) Jahre seines Bestandes. Wien 1898. Mit Skizzen der Anstalt. 
6 Jahresberichte des ersten Rekonvaleszentenhauses in Weidlingau. Wien 1896. Mit Grundrißskizzen. 
> Jahresberichte des genannten Vereines. Wien, IX., Schwarzspanierstraße 11. 
*) Dr. Konstantin J. Vidmar, Geschichte und Festschrift des unter dem Namen „Konfraternität“ bekannten Privat-Kranken- 
und Pensionsinstitutes in Wien. Wien 1895.
	        
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