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in Frankreich bemerkt, daß es sich empfiehlt, die Antike zu studieren; wäre
ihre Einstellung zur Antike nicht von vornherein eine eigene gewesen, wären
ihre Arbeiten nicht so ausgefallen: so ganz anders gerichtet als die franzö-
sischen. Auch für die Zeit um 1400 wird man immer vorsichtiger werden
mit Beziehungssetzungen. Für die Plastik ist bereits gezeigt worden - von
Ernst --, daß es nicht zum Ziele führt, immer dem
„Bedürfnis nach Zusammenhang mit möglichst
klangvollen Namen" nachzugebenf
Unsere beiden Figuren haben etwas an sich,
was noch von einer andern Seite auf diese Ge-
danken bringt. Bei beiden ist das Untergewand
zu sehen. (Bei Eins etwas mehr und ähnlich wie
öfters im Braunschweiger Skizzenbuch; bei Zwei
weniger, der Mantelsaum ist hier so beiseite-
geschoben wie bei der Krumauer und bei der
Wittingauer Madonna; übrigens kein seltenes
Motiv.) Das Untergewand ist nun nicht glatt
gelassen, es liegt in wagrechten Spannfalten.
Das erinnert daran, wie im vierten Fünftel des
XIV. Jahrhunderts der Stoff auf dem Oberkörper
gestrafft wurde; der Körper drängte stärker vor
und brachte das Tuch in Spannung, und das Tuch
wurde mit starkem sinnlichem Empfinden für
Eigenheiten verschiedenen Materialcharakters
behandelt. Besonders einige Gruppen mittel-
deutscher Arbeiten waren stark darin, das wurde
an Bischofskaseln gemacht, an Umhangtüchern,
Mänteln, und auch bei Frauen mit enganliegen-
dem Unterkleid; Erfurter Arbeiten haben es ganz
ähnlich, aber noch stärker wie die Freisinger-
figuren: einige Frauen am Severisarkophag, die
Pietä im städtischen Museum vom gleichen
Meister und die Frauen auf den Kreuzigungsreliefs
im Museum und an der Andreaskirche." - Das
war nicht auf mitteldeutscheDenkmäler beschränkt.
Vor allem war es sachlich nichts Vereinzeltes
oder Sekundäres, sondern es war die Äußerung eines damals neueinsetzenden
Empiindens für modelltreue Darstellung. Eine zusammenhängende Aus-
einandersetzung könnte zeigen, daß sich damals in der deutschen Plastik ganz
dasselbe zutrug wie in der französischen (wenigstens in der Gewandung);
grundsätzlich dasselbe, aber in anderer und sicher unabhängiger Äußerung.
i" i wie Rudolf Kautzsch das genannt hat in seinen „Einleitenden Erörterungen", die damals, vor
27 Iahren, bahnbrechend waren (es sind aber nicht viele auf der Bahn weitergegangen) und noch heute höchst
lesenswert sind.
"i Overmanmkunstdenkmäler der Stadt Erfurt, Seit: 395, 44, 37, und Greinert, Erfurter Steinplastik, 18, 29.
Statue Zwei