klärung und Revolution mit anderen poli-
tischen Voraussetzungen begann, ließen
neue Xtaatr- und Zererrlonienxuagen bauen.
Denn seitdem das von der Revolution so
verpönte Repräsentationsbedürfnis mit der
neuen und prunksüchtigen Kaisermacht
Napoleons I. wiederkchrte, wurden auch
höchsten Ansprüchen genügende Wagen-
bauerateliers zu neuen Leistungen ange-
spornt. Kostbare und bis dahin noch pietät-
voll aufbewahrte ältere Wagen hat man
damals „als altmodisch aus aller Activität"
gesetzt, wie das für den Krönungswagen
Karls VII. um 1830 bezeugt wird. Auch
neue Krönungswagen wurden gebaut: zum
Beispiel für Napoleon I., der bei seiner
Krönung mit den traditionellen Bräuchen
der vorrevolutionarcn Ära brach (1804),
und dann für den nach dem Sturze des
Soldatenkaisers wieder eingesetzten Bour-
bonen Ludwig XVIIL, dessen Krönung
immer wieder verschoben wurde G814]
1819), und schließlich für seinen Nachfolger
Karl X., der den für seinen verstorbenen
Bruder begonnenen, dann aber unvollendet
gelassenen Krönungswagen für sich fertig
bauen ließ (1825)'l.
In den Königreichen deutscher Sprache,
wo man aus Verfassungsgründen oder nach
nüchternen ökonomischen Überlegungen
meist von einer prunkvollen Inthronisation
und Salbung der Monarchen absehen
mußte, sind Krönungswagen traditioneller
Bestimmung natürlich überflüssig geworden.
Wo dennoch ranggleiche Zeremonienwagen
bestellt und angefertigt wurden - wie
beispielsweise für das Königreich Bayern
(vergleiche Anmerkung 1) 7 handelte es
sich um eigentliche .l'lmzl.r- und nicht
Krönungmagerl, wie man sie aus alter Ge-
wvohnheit aber noch zu nennen pflegte.
Diese „Slaatr-Kulxrhe iJl auf Allerboerhxten
Befehl Xeirler Mqjexlael de: Koemg: von Bqyern
. . . vegferlzgt worden" lautet die Inschrift am
sogenannten Zweiten Alünrhener Krönung:-
wagen von 1818 (Marstallmuseum Nymphen-
burg)1l (Abb. 6). Als känzlglirl) bzylerixrben
XIaatJ-Wagen bezeichnete ihn auch der be-
rühmte Straßburger Wagenbauer und später
unter König Max I. joseph angestellte
königliche Wagenbauinspektor ]ohann
Christian Ginzrot, der ihn entworfen hat 13.
Außer den Wappen des Herrschers und
seines Staates waren solche Wagen meist
mit beider Insignien ausgestattet. In ihnen
fuhren der Souverän oder auch sein Stell-
vertreter A der zu bestimmten Anlässen
in diesen Wagen gar die Kron- und Staats-
insignien zu begleiten hatte (vergleiche Ab-
bildung 6a) 7 zu konstitutionellen Staats-
akten wie Verfassungsverkündigungen, Par-
lamentseröffnungen, offiziellen Besuchen
dieser Gesetzeskörperschaften, zu Gedenk-
feiern und nationalen jubiläen. Innerhalb
der eigenen Dynastie benutzte man solche
Staatswagen auch zu politisch wichtigeren
Hochzeiten und ehrte mit ihnen gelegent-
lich auch Botschafter bedeutenderer Mis-
sionen. Den ungeheurcn Eindruck, den
ein solcher Staatswagen im frühen 19. jahr-
hundert noch machen konnte, schildert am
treffendsten wohl der obengenannte Wagen-
20
bauinspektor Johann Christian Ginzrot,
besonders wenn er von dem „äußerst
angenehmen Gefühle" beim Anblick der
„Vergolzlung in großen Massen" an derlei
Wagen spricht:
„Sey es nun, daß diese Gefühle von der
natürlichen oder sympathethischen Wir-
kung entstehen, welche das glänzende Gold
auf unsere Organe, wie eine hellscheinende
Sonne, ausübt, sey es, daß ein eingewur-
zeltes Vorurtheil seit unserer zartesten
Jugend ein Gefühl von Ehrfurcht, Bewun-
derung und Freude, beym Anblicke eines
Metalles zurückläßt, von welchem so oft
Glück und Unglück des menschlichen
Lebens abhängt.
Die Volksklasse, welche am wenigsten von
diesem edlen Metalle besitzt, und es nur
in der Ferne zu erblicken gewohnt ist,
verzehrt mit gierigen Augen ein solches
von Pracht und Herrlichkeit strahlendes
Werk, und sieht mit einem frommen Blirke
den prächtigen Xlaalrulagen de: König! lang-
sam durch die zahllose Menge . . . heran-
nahen, und sich vor allen Gegenständen,
die ihn in dem feyerlichen Zuge umringen,
auszeichnen: es glaubt (die Volksklasse),
einen prärhligen Tempel zu erblicken, der
ein höhere: Waren einrrbliejfl, den Gegenstand
seiner Verehrung, seiner Liebe, und seiner
ehrfurchtsvollsten Huldigung" 14.
Offensichtlich in noch lebendiger Erinne-
rung an die hohe symbolische Bedeutung
der Kränmiqr- und Zeremonienwagen des ver-
gangenen Jahrhunderts hat man in den
ersten Jahrzehnten des beginnenden In-
dustrie- und Automobilzeitalters von allzu
häunger Verwendung solcher Wagen ab-
gesehen. Denn mit dem Aufkommen jener
revolutionären Bewegungen, die fast alle
europäischen Nationen seit 1848 zu libera-
leren Verfassungen drängten, mußte auch
jenes Staatsdcnken, das den repräsentativen
Zeremonienwagen einst verlangt und her-
vorgebracht hatte, endgültig untergehen -
außer in der romantisch schwärmerischcn
Gesinnung König Ludwigs II. von Bayern
(gestorben 1886), dessen ideale Auffassung
eines Herrschertums „von Gottes Gnaden"
natürlich entsprechende Prunkwagen ge-
fordert hatl5.
Es dauerte darnach nicht lange, bis man die
teils aus Pietät verwahrten, teils aber schon
für museale Zwecke reservierten Vehikel
bald zu allen möglichen Anlässen aus ihren
Remisen hervorholte. Man degradierte sie
zu reinen Prunkfahrzeugen, in denen sich
Volksvertreter und Staatsoberhäupter wie
in einem Krünungsornate scheinbarer Legi-
timität alten Gottesgnadentums produzier-
ten. Oder man erfreute sich an der schon
als überladen empfundenen goldenen Pracht,
mit welcher in Prozessionen und histori-
schen Umzügen bequem der erste Preis
zu gewinnen war. Die alte symbolhafte
Bedeutung dieser Sfaatr- und Kränurigxwqqen
hat sich heute wohl nur mehr irn englischen
Königtum erhalten, wo alle Repräsen-
tationsauffahrten des Souveräns - in der
Royal Stare Coach - noch mit einem
ernsten Traditionsbewußtsein inszeniert zu
werden pflegen.
ANMERKUNGEN 11 - 15
H w Krönungswageu. s. 290-282. 298-300.
u P.-W.. Bayerische Kxönungswagcn, K... s. 19.
u Zu den wenigen bekannten Faktcn c zrots Lebcn
siehe w., Krönungswagcn, s. aß sowie P.-W., Baycx.
Krönungswagen, s. 1044 sowx: Im. s. 17 und 19.
M J. cm. Ginzrot, Wagen und Fahrwerke, 111. Münchm
13:10. s. 1901191.
ß L. Hager. Malstallznuscum, K21. Nos. as, 36, 3a, a9
sowie P.-W., Bayer. Kxöuuugswagen, s. 13.