Diese sogen. Industrieschule besteht aus einem Saale, in welchem
alle lernlustigen Berchtesgadener (es werden nur geborne Berchtesgadener
in die Schule aufgenommen) unentgeltlich für die Holzschneidekunst
herangebildet werden. Die Schüler werden beiläufig ein Jahr oder nach
Befähigung auch kürzere Zeit im Zeichnen unterrichtet, dann bekommen
sie Vorlagen zu leichteren Schnitzarbeiten und Uebungen im Modelliren,
und schreiten dann rasch, je nach Talent, zu schwierigeren Holzschnitz-
arbeiten vor.
Das Materials, aus welchem diese Schnitzarbeiten verfertigt werden,
ist Birnbauln, Aepfel-, Ahorn-, Zirbeh, Linden-, Nussbaum- und Weiss-
pappelholz. Sobald die Schüler entsprechende Arbeiten liefern, gewöhn-
lich im zweiten Jahre, theilt denselben der Lehrer je nach Befähigung
künstlerische Aufgaben zu, welche sofort verkauft werden und von deren
Erträgniss ein Theil den Schülern übergeben wird. Dadurch erhalten
diese sehr bald einen anständigen Erwerb und werden an die Anstalt,
die ihnen Brot gibt, gefesselt. Es gingen in den letzten Jahren ausser-
ordentlich geschmackvolle und künstlerisch schöne Schnitzwerke aus
dieser Schule hervor, welche auf den Ausstellungen zu Paris, Salz-
burg etc. Anerkennung und Preise errangen. Der Kunsthändler Herr
Anton Baldi in Salzburg hat mit dem Vorsteher dieser Anstalt einen
Vertrag abgeschlossen, in Folge dessen derselbe alle Arbeiten, welche in
der Schule verfertigt werden, für seine Handlung in Salzburg ankauft
und zu diesem Behufe Herrn Hohm mittheilt, welche Arten von Holz-
schnitzwerken am meisten gesucht oder bestellt sind, Auf diese Art
gehen also namhafte Summen österreichischen Geldes in das Ausland, um
dafür von dort Waaren einzutauschen, welche ebenso gut im Inlande
producirt werden könnten, wenn die entsprechenden Unterrichtsmittel
hiezu dargeboten würden.
Ansserdem ist zu erwähnen, dass die Schüler dieser Industrie-
Anstalt, sobald sie vollständig ausgebildet sind, nach Hause zurückkehren
und daselbst sich theils als Hauptbeschäftigung, theils als Nebenverdienst
mit Holzschnitzarbeiten befassen, die sie dann entweder direct an Fremde,
oder an Kunsthändler verkaufen. Dadurch wird dem Berchtesgadener
Thale eine fortwährende Erwerbsquelle gesichert, welche von nicht zu
unterschätzender national-ökonomischer Bedeutung ist.
Die königl. bayrische Regierung scheint auch von diesem Gesichts-
punkte aus den fraglichen Industriezweig fortan noch thatkräftiger fördern
zu wollen, indem sie dem Lehrer dieser Fachschule, als er heuer die
Medaille der Pariser Ausstellung für die unter seiner Leitung ausgeführten
Arbeiten aus den Händen des Hrn. Ministers empfing, in Aussicht stellte,
dass ihm in Kurzem auch ein zweites grösseres Locale für Anwendung
von Maschinen zu Holzschnitzarbeiten zur Verfügung gestellt werde.
In analoger Weise wie in Berchtesgaden liesse sich auch in Hal-
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