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strielle, die für Massenbedarf arbeiten, und deren Geschäft auch nach
jenen Seiten, die das Museum berühren, in einem erfreulichen Aufschwünge
begriffen ist.
Nicht unbemerkt aber wollen wir lassen, dass manche Zweige der
Kunstindustrie über eine ungenügende Erzeugung des Rohmateriales
klagen. So müssen Gypsgiesser vielfach ausländischen Gyps, Kunstbuch
binder vielfach ausländisches Leder beziehen, um nur einige wenige Bei
spiele anzuführen. Die Fabrication der Kirchenfenster macht wesentliche
Fortschritte, seitdem die Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck das so
genannte Kathedralglas, das man früher nur aus England bezog, selbst
en-gros erzeugt.
In anderen Zweigen wieder ist Rohmaterial, Holz, Porcellanerde,
Marmor, Granit, Eisen hinlänglich vorhanden; aber es fehlt an einer ent
sprechenden Verwerthung des Rohmaterials, an einem intelligent genug
geleiteten Fabriksbetrieb. Diese in der Natur der Dinge liegenden Ab
hängigkeitsverhältnisse der Kunstindustrie von der Grossindustrie und der
Verarbeitung der Rohmaterialien zeigt deutlich, von welchem Werthe es
für die gesammte Kunstindustrie ist, wenn Chemie, Mechanik, Technologie
mitwirken, und Gewerbevereine und technische Schulen einen beleben
den Einfluss auf die gesammte Industrie ausüben.
Allerdings gibt es noch immer ganze grosse Fabriksgebiete, wo es,
wie bei der Cassenfabrication, aus technischen Gründen ausserordentlich
schwer ist, den Anforderungen des Geschmackes erhöhte Rechnung zu
tragen, oder wo, wie auf dem Gebiete der Glasindustrie, es nicht möglich
geworden ist, die Unbildung des Geschmackes oder die Apathie der
Fabrikanten zu besiegen. »Wenn wir, — so sprechen manche Porcelian-
und Glasfabrikanten, — mit unserer Mittelwaare, die den Kennern ebenso
missfällt, als sie dem Publicum gefällt, so glänzende Geschäfte machen,
sollen wir uns bemühen, mehr zu machen als verlangt wird? — wir
reichen mit unseren Arbeitskräften ohnedem nicht aus; es kommen uns
mehr Bestellungen zu, als wir effectuiren können.«
Manches Wahre liegt in diesem Raisonnement; für manchen Produ
centen, inbesonders für den, welcher seinen Markt nicht erweitern kann,
eine Rechtfertigung. Aber für eine ebenso grosse Anzahl von Fabrikanten
ist diese Art, sich zu rechtfertigen, nur Vorwand. So sprechen, nicht
blos auf dem Gebiete der Kunst oder Kunstindustrie, auch auf dem der
schönen Literatur, der Musik, alle jene, die etwas Gutes weder erzeugen
wollen noch erzeugen können. So sind die Vertreter des Schlechten, die
den Unsinn der Mode noch überbieten, noch thörichter sein wollen, als
die Tagesthorheit des Publicums. Und das sind Erscheinungen, für die
wir keine andern Worte haben, als die des Tadels, das sind Richtungen,
die zu bekämpfen unser Beruf ist.
Es ist möglich, dass diese Industriellen im Moment ihre Rechnung
finden und ihr Geschäft machen, wenn sie auf die niedere oder schlechte