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Volltext: Monatszeitschrift XXI (1918 / Heft 11 und 12)

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Geschlossenheit über die handwerkliche Enge einer Goldschmiedezeichnung 
weit hinausragt. Über felsigen Boden krümmt sich der Drache zum Sockel 
der Immakulata, die über der Erdkugel und der Mondsichel stehend, mit 
betend zur Brust erhobenen Händen in die Strahlenglorie emporblickt, über 
deren Kern Gottvaters segnende Halbiigur erscheint; über der Lunula 
schwebt der heilige Geist als Taube. 
Zur kunstgewerblichen Ausführung war dieser bedeutende und eindring- 
liche Entwurf nicht ohne weiteres geeignet; es bedurfte einer weitgehenden 
Umsetzung, um den Bedürfnissen des Handwerks gerecht zu werden. Trotz 
dieser notwendigen Umsetzung bleibt aber der Zusammenhang zwischen 
diesem Entwurf und der Strahlenmonstranz, die in der Schatzkammer von 
Maria Loretto am Hradschin zu Prag verwahrt wird, sehr deutlich (Abb. I2 
und I3). Alle Elemente der Zeichnung kehren wieder - über dem Felsboden 
der gewundene Drache, die Immakulata, die in gleicher Haltung mit andächtig 
erhobenem Antlitz emporblickt, der Strahlenkranz mit Gottvater und der 
Taube über der Lunula --, nur sind sie den anderen Stilgesetzen des Gold- 
schmiedes entsprechend verändert und bereichert. Diese Veränderungen 
an der ursprünglichen Idee haben der Hofjuwelier Matthias Stegner und der 
Goldschmied johann Känischbauer vorgenommen und deshalb durften sie 
sich wohl der Erfindung ihres Werkes rühmen. „Durch Mathiam Stegner 
und Johann Khunischbauer inventirt und gemacht in Wien 169g" lautet die 
Inschrift der Monstranz; aber hinter ihrer Invention steht die sprudelnde 
Gestaltungskraft eines Meisters von ganz anderem Range. Daß dieser 
Meister niemand anderer als Johann Bernhard Fischer von Erlach gewesen 
sein kann, erhält durch die näheren Umstände der Bestellung der Monstranz 
eine weitere Bekräftigung." Ludmilla Eva Franziska Gräfin von Kolowrat, 
geborene Hieserle von Chodau, eine treue Verehrerin des Hauses von 
Loretto, hatte deren Anfertigung in ihrem Testamente verfügt; den Vollzug 
dieses letzten Willens veranlaßte ihr Stiefsohn Wenzel Ferdinand Graf 
von Lobkowitz, der - zur Zeit ihres Todes als kaiserlicher Botschafter in 
Madrid abwesend - seinen Vertreter in dieser Angelegenheit, den Ober- 
regenten seiner sämtlichen Herrschaften, Heinrich Wendelin Froideval von 
Kaltenthal, an den Rat und das Gutbeiinden Seiner Exzellenz des Grafen 
Philipp von Dietrichstein verwies, desselben Grafen Dietrichstein, aus dessen 
oder dessen Familie Besitz die Blätter bei Harrach stammen dürften und 
dessen Wiener Palast - jetzt Palais Lobkowitz - der nämliche Fischer 
von Erlach durch Zufügung des schönen I-Iauptportals geschickt moder- 
nisierte. Wie es üblich war, dürfte er auch bei den anderen künstlerischen 
Unternehmungen seines Bauherrn maßgebend eingegriffen und so auch 
die Idee für die Monstranz geliefert haben, deren Verfertigung Graf Dietrich- 
stein beaufsichtigte. 
1' Über die Entstehungsgeschichte der Monsxranz siehe Carnillo List. „Zur Geschichte der Wiener Gold- 
schmiedezunft" in „Berichte und Mitteilungen des Wiener Altertumsvereins", XXXIII, Seite x57 f.
	        
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