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Schiele-Ausslellungskaßalog des 1mm. o! Conlemporary
AN. Boslun 1960
Wiener Expressinnislen-Ausslcllungskalclog. Universiw uf
Culifornia, Berkeley 1963
Egon-Schiele-Ausslellungskumlog. Marlborough Fine m,
London 1946
The Ar! Gallery-Maguline. Auslriun Issue. New York,
April 19m
Dekadenz Ausschau halten. Edward Lucie-Smith
("The Listener") begrüßt die Ausstellung als eine der
interessantesten Londoner Galerieereignisse der letzten
Jahre. belegt aber nichtsdestoweniger den Maler mit
dem Namen "Meister des erotischen Kitsch". Von
hier zu der feindlich-ablehnenden Haltung der an-
gesehensten akademischen Kunstzeitschrift in eng-
lischer Sprache ("The Burlington Magazine") ist nur
ein Schritt. Das Burlington Magazine wirft Schiele
vor. er hätte Vulgarität mit Einfachheit verwechselt,
und die Zeichnungen einiger Schiele-Blätter würde
man eher als Hgraffiti" auf Bedürfnisanstalten er-
warten . . . Zu derselben Auffassung bekannte sich ein
führender englischer Kunsthistoriker. An der Londoner
Schiele-Ausstellung schieden sich die Fronten, wie es
die im mühseligen ewigen Halbtonlob erstarrte
Kritik schon lange nicht sah. Auf der einen Seite
David Sylvester ("Sunday Times"), der Schiele über
Kokoschka stellt, und auf der anderen das akade-
misch-ehrwürdig trockene "Burlington Magazine",
das ebenso wie die konservativen österreichischen
Kritiker in den ersten beiden Dezennien unseres
Jahrhunderts (z. B. Friedrich Stern im .,Neuen Wiener
Tagblatt", 1912) nur das .,Abstruse" und .,Halb-
pornographische" sieht. Im Kunsturteil der heute
mächtigsten englischen Kunstkrttiker und Kunst-
historiker (Geburtsdatum: vor 1914) treffen noch
immer das klassische oder impressianistische Schön-
heitsideal im französischen Sinn mit der dem Prote-
stanten und Puritaner angeborenen Scheu vor jeg-
licher Übersteigerung ,.irn barocken Sinn" zusammen.
Das moderne Lebensgefühl ist für sie in der Kunst
noch immer leichter in kubistischer Geornetrisierung
und Vereinfachung als in übersteigerter Aggressivität
und psychoanalytischer Bloßlegung faßbor.
Die New Yorker Ausstellung (Guggentieim-Museum.
FebruareApril 1965) unterschied sich in zwei wesent-
lichen Punkten von der Londoner. Die Bilder Schieles
wurden zusammen mit den Werken Klimts gezeigt,
und die Räume des Museums nahmen mehr Objekte
auf als die Londoner Privatgalerie. Trotzdem ent-
sprach die Aufnahme in New York nicht den
Erwartungen. Schiele-Kenner versprachen sich von
der New Yorker Museumsausstellung eine noch
größere Wirkung als von der Londoner Marlborough-
Ausstellung. Eine Stadt mit einer so bedeutenden
intellektuellen Emigration - Alma Mahler-Werfel,
Friederike Beer-Monti, der Maler Böhler, der Zeich-
ner Dolbin, um nur einige Namen zu nehmen -
und die positive Stellung der Amerikaner zum Ex-
pressionismus sollten das endgültige Durchsetzen
Schieles leicht machen. Der monatliche New Yorker
Ausstellungsführer "The Art Gallery" (Abb. 4) hat zwar
seine Aprilnummer der österreichischen Kunst ge-
widmet. aber die Kritiker der "New York Herold
Tribune" faltten nur die allgemeinen Stilmerkmale des
Malers zusammen. Die Charakterisierung. Schiele
läßt die gequülte Gewalttätigkeit der meisten deutschen
Expressionisten primitiv und halb-ausgeformt erschei-
nen ("New York Herold Tribune"). geht allerdings
über den Rahmen der lnformationskritik. Dagegen
meint Stuart Preston ("New York Sunday Times"),
daß der Expressionismus im Werk Schieles seinen
Rahmen sprengt. Es entspann sich aber keine kreative
Diskussion mit feststehenden Frontstellungen wie in
London.
Die Gründe sind in der verschiedenen ästhetischen
Ausrichtung der Kritik und des Publikums zu suchen.
Die politische und kulturelle Situation Englands kann
unter gewissem Vorbehalt mit der deutsch-österrei-
chischen Situation zwischen 1918 und 1933 verglichen
werden. Einerseits die zerbröckelnde Front der alten
Ordnung und der alten Werthierarchie. anderseits das
aggressiv verstoßende Neue. Das sterbende Habs-
burgerreich ist für pessimistisch philosophierende
Engländer ein faszinierendes Spekulationsobjekt. New
Yorks Kritik orientiert sich eher am amerikanischen
Glaubenssatz von der unblutigen Revolution in
Permanenz. Dort sieht man Entwicklungsreihen in
der Form von permanenten Vulkanausbrüchen, die
aber untereinander nichts miteinander zu tun haben.
Der letzte Vulkanausbruch ist nicht notwendigerweise
eine Folge des vorletzten. Aber nur der letzte Ausbruch
ist interessant. Pop-Art und kinetische Kunst. die
allerletzten Vulkanausbrüche, überschotten daher
einen Vulkanausbruch von gestern: das Werk Egon
Schieles.