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später erst wieder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und zwar
diesmal nahezu alleinherrschend, auftritt, nach kurzer Zeit fast gänzlich
wieder aufgegeben und an seiner Stelle das große, spätmittelalterliche
Granatapfelmuster (allerdings in mannigfach veränderter und sich oft nur
mehr einzig an das äußere Schema desselben haltenden Form, z. B. im
sogen. Spitzenrnuster des 17. Jahrhs.) neuerdings zu Ehren gebracht").
Den stricten, sozusagen documentarischen Beweis aber. dass unser
Brocat der ersten Zeit der Regierung Philipp ll. entstamme, liefert das
zweite Monogramm.
Die Entzifferung dieses Monogrammes bot einige Schwierigkeit, zumal
es sich merkwürdigerweise auf keiner einzigen Münze Spaniens und der
von der spanischen Krone abhängigen Länder finden ließ; da es aber
keinem Zweifel unterliegen konnte, dass der Name wCarolusl (Carl V.) darin
enthalten sei, das Münzrnonogramm Carl V. sich aber als vollkommen an-
ders gestaltetes erwies, lag die Vermuthung nahe, dass das fragliche Mono-
gramm unseres Stoies sich, wie das erste, auf Philipp ll. beziehe und
C "), d. h. i-CAROLI F(tl.rus)u zu lesen sei, eine
Annahme, die einige Berechtigung zu haben schien, da es sich feststellen
lässt, dass Philipp ll., namentlich im Anfange seiner Regierung, auf
5) Hier dürfte ein Vergleich unseres Steife: mit einem anderen, ungefähr vierzig
Jahre jüngeren spanischen, ebenfalls mit den obgennnnten Wappenbildern und dem
IPhilJPPUSC-MOHDETBHIITI verzierten Silberbrocete um Platze sein, den ein von Pantoje
dc la Cruz gemaltes, jetzt in einem _Privatsalon des Buckingham-Paluce in London be-
findliches Porträt der damals im jugendlichsten Alter stehenden Gemahlin König Philipp lll.
von Spanien, der Erzherzogin Margarethe von Oesterreich-Steiermark, darstellt, und dessen
genaue Beschreibung ich der außerordentlichen Liebenswürdigkeit des Surveyor of Her
Majestfs Pictures, Sir Charles Robinson in London, verdanke. Dieser in seinen hernl-
dischen Motiven dem unseren völlig gleiche Stoff weist In Stelle des kleinen Streublumen-
decors ein umflngreiches Kronen-Granatapfelmuster auf, das durch seine dominirende
Große die auf unserem Brocat dem pllenzlichen Decor nehezu gleichwerthigen Embleme
zu unscheinbaren Accessorien herabdrßckt. - Monogramme luf den Kleiderstolfen ein-
gewebt zu tragen, scheint im 16. Jahrhundert eine (vielleicht mit den mit Nnmenutlgen
geschmückten nTirazl-Stoßen der Mauren zusntnmenhlngende i) allnbliche Sitte der Damen
der spanischen Königsfamilie gewesen zu sein; so ist, wie mir Professor Dr. Kerl Justi
in Bonn mitzutheilen die Güte hatte, beispielsweise auf einem in der Galerie zu Petworth
hnngenden Bildniss der zweiten Tochter Philipp lL, Cstarinl Micaell, der Gemahlin
Ctrl Emauuels von Savoyen, der Stoß des Kleides der Herzogin mit verschlungenen C
gemustert. Die Gepüogenheit, am Brustlatz Monogramrnbuchsteben in Gold und Perlen
gestickt zu tragen, war in der Frauentrucht der Reneissence allgemein verbreitet; vergl.
z. B. das bereits genannte Kleid der Kaiserin Maria Blnnce bei Falke, oder des bei
Luthmer (nGold und Silbern, Seite 99) reproducirte nßrustbild einer bayerischen Her-
zogin im Nationulmuseum zu Münchens.
7) Bezüglich des eingeschncbtelten kleinen l. unseres Monogrnmrnen ist zu be-
merken, dass derartige Einschachleluugen kleiner Buchstaben, wie zahlreiche Beispiele,
namentlich in Bilderinschriften, bestltigen, in der spanischen Lupidarschrift des I6. und
t7. Jahrhunderts allgemein gebräuchlich waren.