Rückseite, Detail (Vicrung). Zwischen
1170. Christus in der Mandorln.
führten die Mönche auch die bedeutendsten Heiligtümer und
Schätze ihrer altehrwürdigen Abtei mit, zu denen eben auch das
große Reliquienkreuz gehört.
Über seine Entstehung ist man hinlänglich unterrichtet. Es ist
der Förderung zu verdanken, die das Kloster durch Adclheid, die
Gemahlin des ungarischen Königs Ladislaus erfuhr. Adelheid
war die Tochter des Gegenkönigs Rudolph von Schwaben,
(T 1080) in dessen Herzoglum die Abtei lag. Es erklärt sich da-
her eine heimatliche Verbundenheit der Königin zu dem
Schwarzwaldkloster, in dem sie schließlich auch ihre letzte
Ruhestätte fand (T 1079). Den Anlaß für die fromme Stiftung bot
eine Kreuzpartikcl, die der Tradition folgend die Königin von
ihrem Schwager Gcyza geschenkt erhielt und mit dem nötigen
Edelmetall der Abtei weitcrgab, damit dort daraus ein Reliquien-
kreuz gemacht würde. Da die Königin 1077 heiratete, ergibt sich
damit ein sehr knapper Terminus für diese Stiftung. Die Fertig-
stellung des Kreuzes zog sieh freilich noch hin. Der Inschrift
folgend, die den alten im Kloster zurückgebliebenen und heute
verlorenen Fuß des Kreuzes schmückte, wurde das Kreuz erst
unter Abt Udo (1086-1100) vollendet.
Die heutige Rückseite ist jüngeren Datums. Sie ist, wie die In-
schrift angibt, Abt Gunther (1141-1170) zu verdanken. Er ließ
sich übrigens hier auch als Stifter darstellen, mit dem Kreuz in
den Armen vor der Madonna kniend. Ein Zug, der zunächst et-
was beiremdet, wenn man bedenkt, daß er anscheinend ja nur
als Besteller der Rückseite fungierte. Wir wissen allerdings nicht,
ob nicht vielleicht er es war, auf den der reiche Reliquienbe-
stand zurückgeht, der in den Kreuzarmen verwahrt und in der
Inschrift der Rückseite des Kreuzes genau verzeichnet ist. Neben
den geläufigen großen Namen scheinen hier fast durchwegs Hei-
lige auf, die in der östlichen Schweiz verehrt wurden.
Die Datierung des Kreuzes ist daher mit wünschenswerter Ge-
nauigkeit gegeben. Dagegen weiß man noch nichts über die Lo-
kalisierung. Die Vorderseite schließt sich wohl an die rheinischen
Filigrannrbeiten des 11. Jahrhunderts an und ist mit größter
Wahrscheinlichkeit am Mittelrhein oder, von dort sich stilistisch
herleitend, in der Abtei selbst entstanden. Leider wissen wir aber
über eine künstlerische Tätigkeit in diesem Kloster zu wenig,
um darüber etwas aussagen zu können. Anderseits aber zeigt
auch der übrige hochmittelalterliche Schatz die Orientierung zum
Mittelrhein einerseits, zur Rcichenau anderseits. Schwieriger da-
gegen wird es sein, für die bisher zu wenig beachtete Rückseite,
die überdies arg fragmentiert ist, eine Lokalisierung zu belegen.
Wahrscheinlich ist sie süddeutscher Herkunft. Daß übrigens der
älteren Vorderseite später eine neue Rückseite zugefügt wurde,
ist eine bei mehreren hochmittelalterlichen Kreuzen belegbare
Erscheinung.
Das Kreuz stellt sich in die Reihe der monumentalen Reliquien-
krcuzc des Mittelalters. Scinc Form ist bereits heim Reichskreuz
voll ausgebildet. Anderseits weist es noch nicht die strenge Iso-
lierung der Gliederung auf wie die Kreuze des 12. Jahrhunderts.
Eine scheinbare liigentümlichkeit ist der Mittelsteg, doch läßt
sich eben diese Gliederung über zahlreiche Zwischenglicdcr, de-
ren bedeutendstes wohl das Siegeskreuz im Schatz der Kathe-
drale zu Oviedo ist (908), bis auf das allgemein verehrte Kreuz
u Jerusalem zurückführen. S0 ist im Aufbau des Kreuzes nichts
zufällig. Als Fremdkörper fällt heute, abgesehen von kleineren
Ergänzungen jüngerer Zeit, der Mittcltcil mit der Hauptrcliquie
auf, die in unedler Fassung unter Glas sichtbar ist. Hier handelt
es sich um eine eingreifende Veränderung um 1810, als die
Mönche anscheinend für die liturgische Ausstattung der neuen
Stiftskirche die verehrte Kreuzreliquie in ein neues Ostensorium
kleideten und eine andere, kleinere Partikel an ihrer Stelle dem
großen Reliquienkreuz einfügten. Hier ist ursprünglich eine den
Armen adäquate Goldschmiedeverklcidung vorzustellen, viel-
leicht in der Wirkung noch etwas gesteigert, wie sich ja über-
haupt die Vierung kompositionell aus der übrigen rhythmisch
gleichbleibenden Verkleidung heraushebt. Diese vergoldeten Sil-
bei-platten mit schönem Filigranw-erk sind reich mit Edelsteinen,
Bergkristallen und Glasflüssen geschmückt - eben allem, was
die hochmittelalterliche Kunst auf diesem Gebiete hochschätztc.
Darunter befindet sich ein seltener Reichtum an geschnittenen
Steinen, spätantike und lrühchristliche Gemmcn und mehrere
Skarabäeti. Möglicherweise wurde für das wertvolle Kreuz kost-
barer Besatz von älteren Rcliquiaren geopfert, oder es geht auch
dieser Bestand auf die Stiftung der Königin Adelheid Zurück.