Für den Kunstsammler
Geschnitzte Pinzgauer Zirbenholzmöbel
Die auffallenden Merkmale tirolischer und aber-
österreichischer Möbel sind durch eine Reihe von
Veröffentlichungen bekannt geworden, nicht aber
iene des Salzburger Landes. Dadurch werden
solzburgische Stücke meist nur als „Alpenländisch"
bezeichnet. Van den fünf Gauen des Landes
Salzburg haben aber der Pinzgau und der Lungau
Formen von unverwechselbarer Eigenart hervor-
gebracht.
Die Spitzenerzeugnisse des Salzburger ländlichen
Möbels sind im Pinzgau entstanden; denn in diesem
Gebirgsgau wuchsen nicht nur die Zirbe [Pinus
cembra), die durch ihr Holz eine reiche Ober-
flächenbeschnitzung ermöglicht, sondern auch die
ausgezeichneten Almgräser, die eine gewinn-
bringende Viehzucht und damit Bargeld einbrachten.
Zugleich brachte der rege Saumverkehr über den
Alpenhauptkamm das sonst den Bergbauern so
mangelnde Geld ins Land. Dadurch erklärt sich
der [seinerzeitige] ungewöhnliche Reichtum dieses
Gaues an reichgeschnitzten Stubeneinrichtungen.
Sie wurden beim einheimischen Dorftischler bestellt,
der auch meist Bildhauer, stets aber ein guter
Schnitzer war.
Das Zirbenholz ist weich und zäh, daher zum
Schnitzen bestens geeignet. In der Hauptsache
entstanden aber erst im "I8. Jahrhundert Kästen,
Truhen und Betten, deren Schaufläche ganz mit
Schnitzwerk überzogen wurde. Oft ist ihnen auch
noch ein freigeschnitzter Aufsatz aufgesetzt. Aber
durch die alpine Retention gegenüber neuen Stil-
formen zeigen sich die üppigsten Rocailleformen
erst um 1780, die dann noch über das Jahr T800
hinaus verwendet wurden. Im Laufe der Jahrzehnte
bekommen Zirbenhalzmöbel eine silbergraue
Holztönung, die leider oft als zu diskret empfunden
wird, so daß man durch beizen oder locken eine
kräftigere Tönung zu erreichen sucht. Man erzielt
dadurch aber nur eine unbehebbare Schädigung
des unvergleichlichen Reizes der fahlen Holzfarbe.
Gerade durch sie wirkt die überaus reiche Schnitz-
arbeit nicht überladen! Meist werden im Handel
die Kästen auch austapeziert, wodurch der würzige
Halzgeruch unterbunden und das Holz um eine
weitere Tugend gebracht wird; denn dieser harzige
Duft ist mottenabweisend. Zirbenholz nur vom
Kern, ohne Splint verwendet, ist auch holzwurm-
sicher.
ln alten Nochlaßinventaren liest man, daß zu
dieser Art Möbel stets nur grüne Bettdecken,
Vorhänge und Sesselüberzüge verwendet wurden,
die sich in den reseda- und mandelgrünen Tönen
als Komplementärfarbe zur Zirbenholzfarbe bestens
eignet. Dazu hingen im Herrgottswinkel keine
farbigen Bilder, sondern nur Spiegelbilder, was im
Zusammenhang mit dem silbergrauen Naturglanz
dieses Holzes einen raffinierten Zusammenklang
ergab.
In Mittersill befand sich die Tischlerei des begabten
Petrus Schmied, geb. T737. Die vielen von ihm
erzeugten Möbel wurden vielfach in seiner Werk-
stätte auch gleich bunt bemalt. Durch Kirchen-
rechnungen weiß man über diesbezügliche Lieferun-
gen, die durch Vergleich mit Profanmöbeln
Anhaltspunkte über das Formgut seiner Werkstätte
geben. Siehe z. B. die Lisenen an der Bramberger
Kanzel, die auch auf vielen Pinzgauer Kästen
artgleich zu finden sind. Häufig ist es auch dieselbe
Kartuschenform, die sich am Pinzgauer Möbel auf
dem „Kranz" [abhebbarer Kastenaufsatz) befindet,
die man auf Altären wiederentdecken kann und die
so Zeugnis für dieselbe Werkstätte geben. Weiter
vermitteln uns die in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts aufkommenden, in den Holzgrund
eingepunzten Sternd1en und Rädchen Spuren zur
Werkstätte. Sie haben eine verschiedene Anzahl
von Speichen, wie sie das in einer Tischlerei
vorhandene Stempeleisen hinterließ. Da diese
Sternchen auch zur Belebung des Grundes auf
Kirchenbänken angebracht wurden, über deren
Lieferung die Rechnungsbücher Auskunft geben,
können auch sie Hinweise auf den Meister geben.
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