34^
liederreichste Zweig des magyarischen Stammes. Wein wächst im ganzen Ormansäg keiner,
Wirthshäuser gibt es wenige und auch die sind den Burschen und Dirnen unbekannt,
wohl aber kennen sie den Spielplatz am Dorfende, wo Bälle stiegen und Lieder klingen.
Und obwohl es unleugbar selbst aus großer Ferne nach Fünfkirchen und Siklos auf die
Wochenmärkte geht und Mancher auch sein obenerwähntes juristisches „Leiden" mitsührt,
so kennt doch das Ormänsager Volk auch jetzt nur eine einzige Schule, die blankgeweißte
Kirche, deren Thurm seine blitzende Blechhaube mitten im Dorf emporhebt; und die
Dörfer liegen hier so dicht beisammen, daß man ein Dutzend Thiirme zugleich erblickt.
Jedes Dörfchen hat also seine Kirche, deren tadelloses Weiß auch den Mauern der
Häuser nicht schaden könnte. Der Landmann im Ormansäg will aber sein Haus dem
Hanse Gottes nicht gleich machen. Nur für dieses opfert er viel, ja Alles. Neben der
Kirche steht einerseits das Pfarrhaus, meist schmuck und geräumig, denn er will es so;
andererseits steht das Schulhaus mit der Lehrerwohnung, schmuck und geräumig auch
dieses, denn das Comitat will es so. Hätte er aber zu wählen, welches stehen bleiben und
welches zu Grunde gehen solle, so ließe er ohne Zögern die Schule eingehen, denn auch
ohne Schule bleibt die Ortschaft Ortschaft, ohne Kirche aber ist die Bevölkerung nur ein
haltloses Pack. Was aber die Schule anbelangt, heißt es: in unserer Jugendzeit gab es
noch keine Schule und seht, es kann doch Jeder ganz schön lesen, schreiben, ja selbst singen.
Und dies letztere gilt als der höhere Grad von Bildung. Als einst der Stuhlrichter den
Richteramtscandidaten fragte, ob er lesen und schreiben könne, antwortete dieser: „Lesen
und schreiben kann ich nicht, aber singen". Erstaunlich ist die Anhänglichkeit der Leute
an die localen kirchlichen Einrichtungen, die sie in Ermangelung jedes Fonds durch
Selbstbesteuerung erhalten; jede Familie steuert dazu jährlich an Weizen, Wein, Holz,
Heu, Mais, Schinken u. s. w. 10, 30, bis 50 Gulden bei, und das heißt »lulcina/. Ein
großer Bau macht ihnen nicht viel Kopfweh; gar rasch ist es erwiesen, daß die Dachsparren
morsch sind oder die Mauern sich gesenkt haben, und sofort ist der Plan fertig, eine neue
Kirche zu bauen. In der Gemeindekasse liegt kein Heller, sie selber haben auch kein Geld,
so übernehmen sie denn Jahr um Jahr kirchliche Robot. Auch darin sind sie den Somogyern
verwandt. Bald ernten sie eine Tafel herrschaftlichen Ackers ab, bald hauen sie einen ganzen
Wald aus und verfrachten ihn nach der Stadt, bald beschottern sie ein Stück Landstraße,
und von solcher Robot nimmt sich nicht einmal der Halbtodte, ja selbst der verkommene
Torflump nicht ans, und das so gesammelte Geld wird auf die Bauten verwendet. Wenn
sie für eigene Rechnung arbeiten, bringen sie sich nicht um; ihre Arbeit gilt als halber
Feiertag und die Weiber gehen auch rein gekleidet daran; die von Dorfes wegen über
nommene Arbeit aber wird gewissenhaft und eifrig geleistet und ist zum Termin fertig.
Daß sie nicht für sich ernten, ist ihnen gleich. Sie rühren die Hände, als schichteten sie