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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 4

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liederreichste Zweig des magyarischen Stammes. Wein wächst im ganzen Ormansäg keiner, 
Wirthshäuser gibt es wenige und auch die sind den Burschen und Dirnen unbekannt, 
wohl aber kennen sie den Spielplatz am Dorfende, wo Bälle stiegen und Lieder klingen. 
Und obwohl es unleugbar selbst aus großer Ferne nach Fünfkirchen und Siklos auf die 
Wochenmärkte geht und Mancher auch sein obenerwähntes juristisches „Leiden" mitsührt, 
so kennt doch das Ormänsager Volk auch jetzt nur eine einzige Schule, die blankgeweißte 
Kirche, deren Thurm seine blitzende Blechhaube mitten im Dorf emporhebt; und die 
Dörfer liegen hier so dicht beisammen, daß man ein Dutzend Thiirme zugleich erblickt. 
Jedes Dörfchen hat also seine Kirche, deren tadelloses Weiß auch den Mauern der 
Häuser nicht schaden könnte. Der Landmann im Ormansäg will aber sein Haus dem 
Hanse Gottes nicht gleich machen. Nur für dieses opfert er viel, ja Alles. Neben der 
Kirche steht einerseits das Pfarrhaus, meist schmuck und geräumig, denn er will es so; 
andererseits steht das Schulhaus mit der Lehrerwohnung, schmuck und geräumig auch 
dieses, denn das Comitat will es so. Hätte er aber zu wählen, welches stehen bleiben und 
welches zu Grunde gehen solle, so ließe er ohne Zögern die Schule eingehen, denn auch 
ohne Schule bleibt die Ortschaft Ortschaft, ohne Kirche aber ist die Bevölkerung nur ein 
haltloses Pack. Was aber die Schule anbelangt, heißt es: in unserer Jugendzeit gab es 
noch keine Schule und seht, es kann doch Jeder ganz schön lesen, schreiben, ja selbst singen. 
Und dies letztere gilt als der höhere Grad von Bildung. Als einst der Stuhlrichter den 
Richteramtscandidaten fragte, ob er lesen und schreiben könne, antwortete dieser: „Lesen 
und schreiben kann ich nicht, aber singen". Erstaunlich ist die Anhänglichkeit der Leute 
an die localen kirchlichen Einrichtungen, die sie in Ermangelung jedes Fonds durch 
Selbstbesteuerung erhalten; jede Familie steuert dazu jährlich an Weizen, Wein, Holz, 
Heu, Mais, Schinken u. s. w. 10, 30, bis 50 Gulden bei, und das heißt »lulcina/. Ein 
großer Bau macht ihnen nicht viel Kopfweh; gar rasch ist es erwiesen, daß die Dachsparren 
morsch sind oder die Mauern sich gesenkt haben, und sofort ist der Plan fertig, eine neue 
Kirche zu bauen. In der Gemeindekasse liegt kein Heller, sie selber haben auch kein Geld, 
so übernehmen sie denn Jahr um Jahr kirchliche Robot. Auch darin sind sie den Somogyern 
verwandt. Bald ernten sie eine Tafel herrschaftlichen Ackers ab, bald hauen sie einen ganzen 
Wald aus und verfrachten ihn nach der Stadt, bald beschottern sie ein Stück Landstraße, 
und von solcher Robot nimmt sich nicht einmal der Halbtodte, ja selbst der verkommene 
Torflump nicht ans, und das so gesammelte Geld wird auf die Bauten verwendet. Wenn 
sie für eigene Rechnung arbeiten, bringen sie sich nicht um; ihre Arbeit gilt als halber 
Feiertag und die Weiber gehen auch rein gekleidet daran; die von Dorfes wegen über 
nommene Arbeit aber wird gewissenhaft und eifrig geleistet und ist zum Termin fertig. 
Daß sie nicht für sich ernten, ist ihnen gleich. Sie rühren die Hände, als schichteten sie
	        
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