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Volltext: Das österreichische Bauwesen

seit dem Entstehen der gewerblichen Schulen im Laufe 
der Jahre vielfachen Änderungen unterworfen war, bis 
die Unterrichtspläne ihre heutige Form annahmen, ist 
in der Natur des gewerblichen Unterrichtes im allge 
meinen und in der Art des baufachlichen Unterrichtes 
im besonderen begründet. Ist es doch die wichtigste 
Aufgabe des gewerblichen Unterrichtes, die in diesem 
zu vermittelnden Fachkenntnisse dem Fortschritte der 
Technik anzupassen, moderne Bestrebungen in den 
Unterricht zu tragen und die Erfahrungen, die sich aus 
dem Unterrichte wie aus der Verwendbarkeit der Absol 
venten der Schulen im praktischen Leben ergeben 
haben, im Unterrichtsplane zu verwerten. 
Fachliche Fortbildungsschulen für Baugewerbe 
(Lehrlingschule). 
Die Einrichtung und Erhaltung der Lehrlingschulen 
fußt auf übereinstimmenden Landes- und Bundes 
gesetzen, von welchen das seinerzeitige Landesgesetz 
für Niederösterreich vom Jahre 1908 richtunggebend 
für die Schaffung der Fortbildungsschulgesetze der ein 
zelnen Länder geworden ist. Durch Verankerung der 
bezüglichen Bestimmungen der Gewerbeordnung in 
diesen Gesetzen werden die Fortbildungsschulen zu 
Pflichtschulen erklärt, zum Unterschiede von den nächst 
höheren Schultypen den Handwerker- und Baufach 
schulen, die Wahlschulen sind. Es erwächst für den 
Lehrling zum Zeitpunkte seiner Aufdingung die Pflicht 
zum Besuche der Fortbildungsschule und für den Meister 
die Pflicht, den Lehrling zum Besuche der Fortbildungs 
schule zu verhalten und ihm die hiezu nötige Zeit ein 
zuräumen. 
Für die Aufnahme in die Meisterlehre ist bloß der 
Nachweis -der vollendeten Schulpflicht erforderlich. 
Durch den Meister erfolgt nun die Ausbildung des Lehr 
lings zum Gesellen, während der Fortbildungsschul 
unterricht die Meisterlehre im Wege eines berufs- 
kundlichen Unterrichtes unter Betonung des erziehlichen 
Momentes zu ergänzen hat. Diesem Ziele entsprechend 
sind die Lehrpläne der Fortbildungsschulen eingerichtet, 
die, wie bereits vorhin erwähnt, im Laufe der Zeit ihre 
Wandlungen durchgemacht haben. So sind die bau 
gewerblichen Fortbildungsschulen aus 
den allgemein gewerblichen Fortbildungsschulen ent 
standen, jenem Grundtypus im gewerblichen Fort 
bildungsschulwesen, dessen Lehrplan auf alle in dem 
Standorte der Schule vertretenen Gewerberichtungen 
abgestellt ist. Daß ein derartiger vielspältiger Unter 
richt seinen Zweck für die Baugewerbe nicht voll er 
füllen könne, war Meistern wie Schulfachleuten von 
vornherein klar; ebenso stand aber auch fest, daß aus 
ökonomischen Gründen eine Gliederung des Unter 
richtes nach den einzelnen Fachrichtungen der Bau 
gewerbe nur an Orten mit reger Bautätigkeit durch 
geführt werden könne, an welchen eine genügende Zahl 
von Lehrlingen in den Baugewerben aufgedungen waren. 
Hiefür kamen alle größeren und verkehrsreicheren 
Städte des ehemaligen Österreich in Betracht. An der 
Spitze der Verfachlichung des baugewerblichen Unter 
richtes schritt das Fortbildungsschulwesen von Wien, 
wo schon vor mehr als dreißig Jahren eigene fachliche 
Fortbildungsschulen für Maurer, Zimmerer, Steinmetze, 
für Dachdecker und Stukkaturen in das Leben gerufen 
worden sind. 
Der Lehrplan dieser Schulen ist gemäß der Auf 
dingungszeit dreiklassig gegliedert und umfaßt einen 
Unterricht von 8—10 Wochenstunden durch 8 Monate 
in jedem Schuljahre. Der Unterricht zerfällt in den 
ökonomischen Teil, in den fachlichen Teil und in den 
Unterricht in Bürgerkunde. Im ersten Teilgebiete wird 
das Verständnis des Lehrlings -durch die Gegenstände 
Geschäftsaufsätze und Buchführung für die Kalkulation 
im Bauwesen geweckt, der Fachunterricht vermittelt 
ihm Kenntnisse über die Werkstoffe, über die Bau 
konstruktionen und gibt ihm auch die Grundbegriffe 
über die Bauformen. Der Unterricht in Bürgerkunde ver 
folgt die Aufgabe, den Lehrling zum Staatsbürger zu 
erziehen, ihn aber auch mit den gewerbegesetzlichen 
Bestimmungen, besonders jenen des Baukonzessions 
gesetzes vertraut zu machen. 
Dieser theoretische Unterricht hat durch die Ein 
führung der Lehrwerkstätte einen bedeutsamen Ausbau 
erhalten. Dadurch, daß nunmehr der Unterrichtsplan 
seinen Ausgang von der manuellen Ausbildung des Lehr 
lings nimmt und der praktische Unterricht gewisser 
maßen zur Stütze des theoretischen Unterrichtes wird, 
wird gleich zu Beginn der Meisterlehre das Verständnis 
des Lehrlings für die Facharbeiten und den Fachunter 
richt in der Schule geweckt, dem Meister wird ein bald 
verwendbarer junger Arbeiter bereitgestellt und der 
Lehrer an der Fortbildungsschule wird instand gesetzt, 
den für die Lehrlinge schwierigen, fachtheoretischen 
Unterricht leichter zu bewältigen. 
Im Schulbauhofe wird der Maurerlehrling mit der 
Handhabung der Werkzeuge, dem Zubereiten des Mör 
tels, des Betons, dem fachgerechten Legen der gebräuch 
lichen Ziegelverbände, der Herstellung verschiedener 
Verbundkörper wie Mauerecken, Anschlüsse, Pfeiler 
usw., dann mit Verputzarbeiten, mit dem Ziehen von 
Gesimsen, kurz mit allen jenen manuellen Arbeiten ver 
traut gemacht, deren Erlernung ihm in der Meisterlehre, 
besonders am Beginne, oftmals versagt bleibt. 
Nach ähnlichen Grundsätzen arbeitet der Zimmerer 
lehrling am Zimmererplatze der Schule. Von den ein 
fachen zimmermännischen Holzverbindungen ausgehend, 
werden Details von Dachstühlen hergestellt, schließlich 
wird ein Dachstuhl mit einfachem Tragwerk verfertigt, 
dieser angerissen und aufgestellt; auch das Austragen 
von Grat- und Ixensparren wie von Schiftungen wird 
geübt. Alle Arbeiten werden in Naturgröße durchgeführt 
und damit der richtige Weg zur Praxis beschritten. 
Der Wiener Fortbildungsschulrat hat den Zimmerer 
lehrlingen seines Fortbildungsschulbezirkes eine Lehr 
werkstätte in dem neuen Fortbildungs-Schulgebäude in 
der Hütteldorferstraße mustergültig eingerichtet und 
diese mit allen modernen Behelfen versehen. Hier kann 
man die Lehrlinge mit Eifer und Fleiß arbeiten und 
schaffen sehen. In der gleichen Lehrwerkstätte ist für 
die Dachdeckerlehrlinge zu Übungszwecken ein Dach 
stuhl aufgerichtet, dessen Gestaltung und Flächenbildung 
ihnen die Möglichkeit zur Durchführung der verschieden 
sten Eindeckungsarbeiten gibt. In dem gleichen Fort 
bildungsschulgebäude arbeiten in einem zweckmäßig 
gestalteten Raume die Stukkaturerlehrlinge; in ihrer 
Lehrwerkstätte lernen sie das Material, seine Verwen 
dung kennen, und führen Stückarbeiten an Wänden und 
Plafonds fachgerecht und geschmackvoll in der Formen- 
gebung durch. 
Dank der Fürsorge des Wiener Fortbildungsschul 
rates und der verständnisvollen Mitarbeit der Wiener 
Baugewerbetreibenden hat sich das baugewerbliche 
Fortbildungsschulwesen in der Bundeshauptstadt bedeut 
sam entwickelt und erfüllt in vollem Maße -die ihm 
zugedachte Aufgabe. Auch in den Landeshauptstädten 
und in den größeren Orten unserer Bundesländer wird 
der baugewerbliche Unterricht für Lehrlinge in eigens 
hiezu eingerichteten fachlichen Fortbildungsschulen be- 
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