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Leicht hätte sich die Zahl der Gegenstände auf das Doppelte und
Dreifache bringen lassen, denn das Material, das vorhanden ist und sich
darbot, ist reich genug. Aber die Räume des Museums, welche zur Ver
fügung standen, obwohl sie keineswegs gering sind, hätten nicht hinge
reicht. Es ist selbst’ der Sitzungssaal hinzugezogen worden und hat zur^
Ausstellung einer Anzahl von Stahlstichen, Zeichnungen und Büchern mit
Möbelabbildungen dienen müssen. Diese Ausstellung soll zugleich einen
Begriff von dem geben, was Bibliothek und Kupferstichcabinet des Mu
seums an solchem Material bereits besitzen und für Jedermanns Benützung
zur Verfügung stellen.
II.
Drei Jahrhunderte der Möbelfabrication sind es etwa, welche unsere
Ausstellung repräsentirt. Die Gegenstände beginnen der Zeit nach mit
der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts und endigen mit der
• zweiten Hälfte des achtzehnten. Das ist aber die eigentliche Blüthezeit
kunstreicher Möbelfabrication, diejenige, die vor Allem zur Reform des
modernen Geschmackes auf diesem Gebiete wichtig und lehrreich ist. Die
jenigen Stylarten und Decorationsweisen, welche in diesen Zeitraum fallen,
sind auch alle vertreten, so dass wir in unserer Ausstellung gewisser-
massen eine Geschichte der Möbelindustrie in den letzten Jahrhunderten
vor Augen haben.
Nicht minder vollständig oder wenigstens mannigfach erscheinen die
Gegenstände der Ausstellung aus dem Gesichtspunkte ihrer Herkunft,
ihres Ursprungs. Fast alle Länder des civilisirten Europa haben ihren
Beitrag gestellt. Portugal und Spanien glänzen mit hochinteressanten und
originellen Arbeiten; von Frankreich und Italien finden sich treffliche ge
schnitzte Möbel, aus einer Zeit, bevor der Geschmack dieser Länder dem
Barocken völlig unterlag; der Nieder-Rhein, Holland und Belgien, ehe
mals eine ganz besonders blühende Stätte der Möbelindustrie, sind reich
und glücklich vertreten; selbst der scandinavische Norden, Dänemark und
Schleswig-Holstein fehlen nicht mit eigenthümlicherl Arbeiten; der hei
mischen Industrie, der ehemals so bedeutenden Möbelschnitzerei aus dem
österreichischen, salzburgischen und bairischen Gebirge ist kaum nöthig
zu gedenken.
Jeder Kunstfreund weiss, dass echte Möbel von feinerer Art aus der
gothischen Kunstepoche heute unendlich schwer zu bekommen sind.
Hier und da findet sich wohl noch ein solider Kasten von dickem Eichen
holz mit plumpem Masswerk, der durch seine Construction noch einiges
Interesse bietet, aber wegen seiner Schwere und Ungefälligkeit das Auge
des Kunstliebhabers nicht reizen . kann. Dennoch bietet die Ausstellung
eine ziemliche Reihe gothischer Möbel. Sie gehören freilich alle dem
fünfzehnten Jahrhundert an, genauer noch der zweiten Hälfte desselben