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Was geschah mit „Swedish modern”?
Carl Christiansson
„Swedish modern“ war seit Ende der
30er bis Mitte der 60er Jahre ein Aus
hängeschild für die ganze Welt, das die
gesamte schwedische Kunstindustrie mit
ihren sublimen Form- und Qualitätsbe
griffen verkörperte. Allen formbewuß
ten Menschen galt es als Synonym für
den einfachen Stil schwedischer Einrich
tungskunst. Nunmehr hat dieser Stil
längst seine Leuchtkraft und sein beson
deres Gepräge verloren.
Dennoch — seine Auswirkungen wa
ren stark und nachhaltig; „Swedish mo
dern“ war der Aufhänger, unter dem
sich auch andere schwedische Qualitäts
waren gut verkaufen ließen. Diese Mög
lichkeit machte sich die schwedische In
dustrie voll und ganz zunutze. Hand in
Hand führten so Form-Schweden und
Industrie-Schweden einen siegreichen
Kreuzzug durch die westliche Welt.
Von dieser Weltberühmtheit kam es
zu Beginn der 60er Jahre zu einem fast
völligen Stillstand. Ein so kleines Land
wie Schweden kann es sich weder aus
wirtschaftlichen noch aus anderen Grün
den leisten, seine Interessen und seinen
Ruf in dieser Weise aufs Spiel zu setzen.
Was geschah nun damals mit „Swedish
modern“ und allen Formgebern, Archi
tekten und Produzenten, die Urheber
der modernen, erfolgreichen schwedi
schen Welle waren?
Darf ich hierbei bemerken, daß die
den Begriff ,,Swedish modern“ prägen
den Formgeber, Architekten und Produ
zenten lediglich eine dünne Schicht der
oberen schwedischen Bevölkerungspyra
mide darstellten und daher keine grö
ßere Verankerung im „schwedischen
Volksheim“ besaßen. Dennoch sollte die
strenge und schlichte Einfachheit des
„Swedish modern“ eigentlich in das all
gemeine soziale schwedische Modell der
frühen 50er Jahre hineingepaßt haben,
als man damals begann, die Leiter des
Konsumverbrauchs hinaufzuklettern, als
man so viel andere Dinge für Familie
und Heim nötig hatte als Möbel, Tep
piche und Textilien. Es war gut, daß
sich damals der Schwedische Werkbund
für Einfachheit und Schlichtheit in der
Formsprache einsetzte.
Doch nicht nur die schwedische In
dustrie wurde auf dieser Welle empor
getragen. Eine ganze Generation älterer
Designer wurde durch sie weltberühmt.
Wir, die jungen und aufstrebenden
Formgeber, arbeiteten bei den etablier
ten Designern und warteten darauf, daß
unsere Zeit kommen sollte. Aber uns bot
sich niemals die große Chance. Vielmehr
geschah etwas ganz anderes: Schweden
fiel dem großen Verführer, dem Kon
sumteufel, zum Opfer.
Bereits zu Beginn der sechziger Jahre
hatte sich Schweden zu einem der reich
sten Länder der Welt entwickelt. An sei
nem Appetit war wahrhaftig nichts aus
zusetzen. Wir konsumierten alles, ange
fangen von neuen Vorstädten, neuen
Schulen, Krankenhäusern und Bürohäu
sern bis zu 100 000 Wohnungen pro Jahr
und später fast ebenso vielen Einfami
lienhäusern.
Architekten und Designer arbeiteten
mit Überstunden, um diesen gefräßi
gen technokratischen Konsumgiganten
Schweden mit völlig neuen Lösungen
ökologischer, technischer, ergonomischer
und sozialer Probleme zu füttern. Das
Bautempo war halsbrecherisch. Der
Markt verschlang Architekten, Desig
ner, Techniker und Forscher mit Haut
und Haar. — Und niemand hatte Zeit,
die Verantwortung für all das, was ge
macht wurde, zu übernehmen und noch
weniger Zeit, sich der Möbelformgebung
Zu widmen.
Dem Klettervermögen der Schweden
schienen keine Grenzen gesetzt. Von
Jahr zu Jahr stieg die Nachfrage nach
mehr und mehr Luxusgütern mit immer
weniger Nutzungsgrad. Die Kauflust
wendete sich nunmehr dem Zweitwagen
der Familie, dem Sommerhaus und dem
Segelkreuzer zu.
Nach dem gewaltigen Konsumtempo
der letzten 15 Jahre ist es nun an der
Zeit, haltzumachen und zu überdenken,
was eigentlich wichtig und sinnvoll ist.
Wollen wir Quantität oder Qualität?
Wir müssen unsere Wertbegriffe revidie
ren und darauf achten, daß wir uns un
sere phantastische Natur nicht zugrunde
konsumieren. Das bedeutet, daß wir
nicht arbeiten, um zu konsumieren, son
dern daß wir versuchen müssen, unse
rem Leben einen neuen Inhalt zu geben.
Was ich bisher gesagt habe, ist meine
persönliche Ansicht darüber, warum un
sere Architekten mit anderem beschäf
tigt waren, als den Begriff „Swedish
modern” weiterzuführen. Die Aufgabe
der Architekten ist ja mehr oder weni
ger interdisziplinär zu verstehen — mit
Perspektiven und Weitblicken sowohl