□ BÜCHER, DIE MAN LESEN SOLL. □
NEUE GÄRTEN. VON PROF. JOSEF M. OLBRICH. Ein Künstler,
der mit den Worten eines Dichters den Sinn des eigenen Werkes er
klärt, wie es Olbrich in einem Vortrag über seinen „Farbengarten“
anläßlich der XVIII. Hauptversammlung deutscher Gartenkünstler getan
hat, ist in unserer banalen Zeit eine ungewöhnliche Erscheinung. Das
künstlerische Machtbewußtsein und die Begeisterung, die in dem Werk
und in den Worten liegen, werden weiter wirken. Die Liebe und das
Verständnis für schöne Gärten im deutschen Volke werden von da
her eine Stärkung erfahren und der veredelte Begriff von schöner
Gartenkunst wird herrschen. Nebst der Rede über den „Farbengarten“
hat Prof. Josef M. Olbrich zahlreiche Bilder und Pläne seines Werkes in
einem Band : NEUE GÄRTEN, BEI ERNST WASMUTH in Berlin verlegt.
GÄRTEN. VON PAUL SCHULTZE-NAUMBURG. Im Verlage von
Georg D. W. Callwey ist ein Ergänzungsband mit Bildern zu dem be
kannten Gartenbuch als Band II der Kulturarbeiten von Paul Schultze-
Naumburg erschienen. Der Ergänzungsband enthält eine große Reihe
von entzückenden Gartenbildern, die in den eigentlichen Textbänden
keine Aufnahme finden konnten und nun als selbständiges Bilderbuch
neues Anschauungsmaterial für einfache gute Gestaltungen bringen.
Ein besonderer Text war hiezu nicht notwendig, da die prinzipiellen
Erörterungen, die sich an die verschiedenen Formen des Gartens an
knüpfen, im Hauptband II zu finden sind. Allen Freunden der Kultur
arbeit und insbesondere jenen, die schöne Gärten lieben, ist auch dieser
Bilderband wärmstens zu empfehlen. Die Durchsicht des Buches ist
ein genußreicher Spaziergang durch Gartenschönheiten, die einst zu dem
besten Schmuck der deutschen Erde gehörten. Es ist aufs dringendste
zu wünschen, daß die Worte dieses Buches fruchtbar werden und
helfen, daß bei Neuanlagen die Schönheit der alten Gärten wieder
gefunden werde. Insbesondere den Gartenbauschulen und den an
gehenden „Kunstgärtnern“ möchte ich diese Werke Schultze-Naum-
burgs als Schulbücher anempfehlen, um sie zum Studium der älteren
heimischen Gartenkultur anzuregen. Das Schema der unleidigen so
genannten englischen Landschaftsgärtnerei, die mit falsch verstandenen
französischen Gartenprinzipien verquickt ist, würde dann vielleicht vor
der besseren Erkenntnis fallen, daß die regelmäßigen organischen
Gartenanlagen, die aus der vergangenen bürgerlichen Kultur über
liefert sind, ungleich wertvollere Vorbilder sind.
LOTOS. VON LAFCADIO HEARN. In gleicher Ausstattung wie „Ko-
koro“ ist in der literarischen Anstalt von Rütten & Loening in Frank
furt ein neuer Band von Lafcadio Hearn unter dem Titel „Lotos“ er
schienen. Kein Japan-Schilderer hat es vermocht, in das Wesen der
japanischen Volksseele so einzudringen und das Leben so anschaulich
zu schildern, daß es den Europäern fast verständlich wird, als es der
Dichter vermocht hat. Lafcadio Hearn war ein dichterischer Beobachter,
der die schwere Kunst des Sehens besaß. Er hat in Japan alles gesehen,
viele Dinge, die der bloß wissenschaftliche Reiseschilderer nicht be
merkt, flüchtige Erscheinungen, die dem künstlerischen Auge nicht
entgehen und, wie gering sie scheinen mögen, recht bedeutsam sind.
Man kann sagen, Lafcadio Hearn hat mit Vorliebe die kleinen Züge
geschildert, aber in seiner Schilderung sind sie groß geworden und das
Bild ist liebenswert und fein, wie es niemals in den Schilderungen
anderer Kenner, die sich nur auf das allgemeine Wesen beschränken,
erschienen ist. Eine jüngst erschienene allgemeine Darstellung, „Die
japanische Volksseele“ von Okakura, erschienen im Verlage von
C. W. Stern in Wien, ist, abgesehen von dem geschmacklosen Um
schlag, ein sehr verdienstliches Büchlein und jenen zu empfehlen, die
eine rasche Orientierung über die Eigenart des japanischen Volkes
gewinnen wollen. Persönlicher Gewinn aber ist erst dann zu erwarten,
wenn die Sache ein seelisches Erlebnis geworden ist. Durch Lafcadio
Hearn wird Japan auch für die Leser ein seelisches Erlebnis. Das ist
der Wert der Bücher „Kokoro“ und „Lotos“.
DER TANZ. VON OSKAR BIE. Die mitgeteilte Leseprobe über den
schönen Garten gibt eine Andeutung über den Reichtum des im Ver
lag von Bard, Marquardt & Co. in Berlin erschienenen Buches. Dieses Buch
selbst ist ein schöner Garten, reich an Perspektiven, schönen Aus
blicken und entzückenden Ansichten. Oskar Bie faßt den Begriff des
Tanzes an der Wurzel, als Rhythmus und führt den Gedanken an
allen Beispielen durch, die sich ihm darbieten. Das Fest der Elemente,
der Tanz im Dienst als Rhythmus der Arbeit, der gesellschaftliche
Verkehr, der Gesellschaftstanz, das Kunstwerk des Tanzes, das Ballett,
die Musik, das sind die Hauptkapitel, aus denen sich sein Werk über
die rhythmischen Künste aufbaut. Jeder dieser Abschnitte bildet ein
ungeheures Gebiet von Wahrnehmungen, schönen Gedanken und
geistreichen Untersuchungen, die der Autor durch ein erstaunlich
reiches historisches Material vertieft. Ein eminent künstlerisches Werk
ist zu stände gekommen, die heterogenen Stoffe sind zu einer organischen
Einheit verschmolzen durch die subjektive Auffassung des Verfassers,
die im Mittelpunkt steht. Sonach behandelt das Werk nicht so sehr
die Dinge, die es bespricht, sondern vielmehr die Reagenzen, die diese
Dinge auf einen sehr subtilen, geschmackvollen Geist hervorgebracht
haben. Es ist ein Buch, voll von Impressionen, kunstvoll verwoben
wie ein kostbares Spitzengewebe, das Werk eines Schönheitssuchers,
der die Schönheit überall findet, wo er sie finden will. Seiner Führung
mag sich jeder getrost anvertrauen, der in Kunstfreude wandern will.
Der Weg ist immer kurzweilig und reich an Gewinn. Es' liegt im
Geiste der Darstellung, daß auch Unscheinbares bedeutsam wird, die
Vergangenheit wird Gegenwart und sie ist immer interessant, bei
welchem Zipfel auch sie der Autor erfaßt. Das Buch ist mit vielen sehr
gewählten Illustrationen versehen, was seinen Wert unendlich erhöht.
Es verdient besondere Anerkennung, daß die Verlagsanstalt keine
Mittel gescheut hat, das Werk auf das geschmackvollste auszustatten.
Karl Walser hat den Buchschmuck gezeichnet; Druck und Satz ist
klar und sauber und der Einband gibt dem Ganzen eine schöne Äußerlich
keit. Es ist somit eine Freude für den Leser und Liebhaber.
] PREISAUSSCHREIBEN. [
Dem Sänger des LIEDES DER ARBEIT, dem Organisator der pro
letarischen Gesangvereine in Österreich, JOSEF SCHEU, soll ein GRAB-
MONUMENT gesetzt werden, würdig des Künstlers, des Kämpfers des
Menschen.
Zu diesem Zwecke wird hiemit einelDEENKONKURRENZ ausgeschrieben
und die österreichischen Bildhauer werden eingeladen, sich an ihr mit
PLASTISCHEN ENTWÜRFEN im Modell von ‘/io der natürlichen Größe
zu beteiligen. Das Grabmonument soll das Schaffen, die überlebende
Bedeutung des Verewigten künstlerisch zur Anschauung bringen; eine
Porträtplastik ist daher nicht in erster Linie bedingt, wohl aber ist
die Anbringung etwa eines Porträtmedaillons sehr erwünscht.
Die WAHL DES MATERIALS für die Ausführung ist dem Künstler
überlassen, doch soll dem Modell die Angabe beigefügt sein, in welchem
Material der Entwurf, beziehungsweise die Ausführung gedacht ist. Der
Flächenraum für das Grabmonument beträgt i'4o Meter Länge und
1-26 Meter Breite; es bleibt freigestellt, ob der ganze Raum oder nur
ein Teil davon in Anspruch genommen wird. Als GESAMTKOSTEN
für die Herstellung des Grabmonuments ist die Summe von 7000 Kronen
festgesetzt. Drei Preise von je 300 Kronen sind für die besten Entwürfe
bestimmt. Die Ausführung wird in engerer Konkurrenz einem der
drei preisgekrönten Künstler übergeben.
Die Entwürfe sind bis LÄNGSTENS 31. MAI 1906 im Sekretariat des
ARBEITERHEIMS FAVORITEN, X. Laxenburgerstraße Nr. 10, Mez
zanin, einzuliefern und mit einem KENNWORT oder Motto zu ver
sehen; ein geschlossenes Kuvert mit demselben Kennwort oder Motto
und der Aufschrift PREISAUSSCHREIBEN soll an das SCHEU
DENKMALKOMITEE unter der Adresse der Redaktion der Arbeiter
zeitung gerichtet sein und Namen und Adresse des Künstlers enthalten.
Die Jury besteht aus den Herren: Dr. V. ADLER, Architekt Hubert
GESSNER, Professor Jos. HOFFMANN, Kunstschriftsteller Jos. Aug.
LUX; für den Verband der Arbeitergesangvereine Eduard JENIK, für
den Gesangverein „Freie Typographia“ Karl ZÖRER.
Wegen etwaiger Auskünfte wende man sich an das Scheu-Denkmal
komitee; etwa erwünschte biographische Anhaltspunkte bietet die
Nummer der Arbeiter-Zeitung vom 13. Oktober 1904.
WIEN, am 4. April 1906.
DAS SCHEU'DENKMALKOMITEEr
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