Hummer 15.
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 239.
Die Züricher Erwerbungen.
Die „Archäologische Sammlung“ der Unioersitäf Zürich
erwarb bei der Auktion Hammel drei Antiken, über die mir in
der „Züricher Zeitung“ folgende interessante Daten finden;
Das nach Stil und Darstellung interessanteste Stück ist das
griechische öibelrelief, das freilich dem Haien zumal bei ober
flächlicher Befrachtung, dieses Hob kaum zu oerdienen scheinen
dürfte. Denn das in flacher Erhebung gearbeitete Relief ist recht
klein — die Hänge beträgt 0'80 Alefer, die größte Höhe 0 25, die
stehenden llliftelfiguren sind 0'17 boch — und dabei ist die Er-
haltung nicht tadellos, namentlich die Köpfe sind arg bestoßen und
die Gesichter nicht mehr erkennbar, und das ist um so bedauer
licher als das Relief eine Arbeit der besten griechischen Zeit ist;
Surtwängler, der es in den Abhandlungen der bayrischen Aka
demie uom Jahre 1902 publiziert hat, sefjt es noch in den Ausgang
des 5. Jahrhunderts n. Chr. Das material ist feinkörniger meiner
niarmor, anscheinend penthelischer, die Arbeit allem Anschein nach
attisch. Zunächst erhebt sich die ?rage, mas dies kleine Giebel
relief für eine Bestimmung hafte, und da trifft Surtwängler sicher
das Richtige, roenn er es für die Bekrönung eines Grabdenkmals
hält. Da aber das Stück, das an der untern Seite geglättet, an
den andern rauh gelassen ist, nirgends Befestigungsspuren i Ein
saßlöcher oder drgl.) aufroeist, so meint furtmängler, das Grabmal
roerde in seinem Haupffeil aus Hehmziegeln und die Umrahmung
des kleinen Illarmorgiebels oielleicht aus Holz bestanden haben;
durch Bemalung mar die Verschiedenheit des ntaterials mahl etwas
ausgeglichen. Giebelbekrönung ist an attischen Grabmälern nicht
selten; andere Beispiele roo, mie hier nur der Giebel aus ITlarmor
gearbeitet mar, sind freilich nicht bekannt.
Die Darstellung besteht aus sechs Siguren. ln der mitte
ist ein nach rechts schreitendes Paar dargesfellf. Eine ?rau in
Chiton und JTlantel, den sie über den Hinterkopf gezogen hat und
mit der Hinken gefaxt hält, geht langsam nach rechts hin; neben
ihr ein bartloser Jüngling mit kurzem Chiton, der auf den beiden
Schultern aufliegt, legt ihr den linken Arm auf die Schulter, als
wolle er sie zum Weiterschreiten mahnen. Hinter dem Jüngling,
ebenfalls nach rechts hin gewandt, steht eine bekleidete frau, sie
trägt den dorisch gegürteten Peplos, den linken ?uß hat sie auf
einen fels gestellt und etwas sich oorbeugend legt sie den linken
Cllbogen und den rechten Unterarm auf den erhobenen linken Ober
schenkel. Hinter ihr am linkem Cnde des Giebels sifjt, oon der mitte
abgemandt nach links hin ein JTlädchen in oorgebeugter Haltung,
die den linken Arm auf den linken Unterschenkel gelegt und die
Rechte leicht erhoben hat. Auf der anderen Seite, rechts uom
mittelpaar steht wieder eine ?rau, die oon der mitte abgemandt
den linken ?uß auf eine Erhöhung gestellt hat und in den Händen
einen nicht deutlich erkennbaren Gegenstand (Zweig oder Krunz)
hält. Sie scheint im Gespräch mit dem oor ihr, am rechten Giebel
ende dargesfellfen ITlädchen, dieses, das den Oberkörper entblößt
und den Unterleib mit dem lUantel bedeckt hat, sifjt nach rechts
hin und hat den Kopf nach der mitte zurückgewandt. So ist die
Darstellung denn im allgemeinen symmetrisch angeordnef: in der
mitte zwei schreitende Figuren, weiterhin links und rechts je eine
mit aufgesfiißtem 5ufj stehende, in den Ecken Spende. Dabei ist
aber strenger Parallelismus nicht beobachtet: die Siguren neben
dem mittelpaar stehen beide nach rechts hin, in der linken Hälfte
sind die figuren lockerer und weiter gestellt, in der rechten dichter
und gedrängter.
nicht ganz sicher ist die Deutung des Dargesfellfen. Die
mittelgruppe erinnert aber lebhaft an das bekannte schöne und
der besten Zeit attischer Kunst entstammende Relief mit dem Ab
schied des Orpheus und der Eurydice; und so hat denn ?urt-
mänglers Deutung oiel für sich, daß man auch hier Hermes
Psychopompos zu erkennen hat, der eine Verstorbene in die Unter
welt geleitet, und zwar in den Kreis oon Verstorbenen, oon trauen,
denen sich die rieuangekommene gesellen soll. Alan denkt dabei
an die ähnlichen Gruppen oon 5rauen, die Polygnot in seinem
Unterwelfsgemälde in Delphi dargesfellf hat. Zwei unterhalten sich
unter sich; eine andere ist in Hlachdenken oder Trauer uersunken;
nur eine der Trauen achtet auf die Herankommenden.
Der Stil der Gewandung, die gehaltene Ruhe und Einfachheit
der Bewegungen weisen das Relief der Zeit um 500 o. Chr. zu;
es ist möglich, daß der lAeister des Orpheusreliefs den Schöpfer
des unsrigen beeinfußt hat. Alles in allem genommen ist dieses
unscheinbare Werk eine beachtenswerte Arbeit, und nicht mit
Unrecht hat es furtmängler ein „köstliches Stück“ genannt.
Das zweite Stück, der Jünglingskopf polykletischen
Stils (die llase ist ergänzt, ebenso die Brust mit dem Geroand-
stück auf der rechten Schulter) ist zwar eine römische Kopie, aber
oon oortreffflicher Arbeit und stilistisch interessant. Es weist die
charukterischsn formen des Typus auf, den Polyklet oon Sikyon
(etwa seif 460 u. Chr. tätig) seinen Jünglingsfiguren zu geben
liebte; der Schädel zeigt einen kräftigen rechteckigen Umriß, breite
Stirn, schmales Kinn; die Augenlider sind scharf unterschnitten,
der Hlund mit etwas aufgeworfener Oberlippe leicht geöffnet und
oon etwas herbem Ausdruck; das oolle Haar, das in einzelne
Hocken sich sondert, ist mitten über der Stirn gefeilt und fällt fast
symmetrisch zu beiden 5eiten in scharf auslaufenden Spißen auf
Stirn und Wangen herab. Es sind das die Grundlagen jenes
Kopftypus, den Polyklet selbst schon mannigfach ausgestaltet hat
und der oon seinen Schülern und dann noch bis in die römische
Zeit hinein in zahlreichen Variationen wiederholt worden ist.
Das drifte Stück ist eine (bis auf die ergänzte Aase mohl-
crhaltene) Büste des AJarc Aurel in der Toga. Der Kaiser,
dessen charakteristische Züge uns aus zahlreichen Büsten und
i Alünztypen wohlbekannt sind, ist noch in jüngeren Jahren dar
gestellt; der Bart zeigt noch nicht die fülle, die er in späteren
Jahren aufzuweisen pflegt, die Stirn, die später oon mehreren
falten durchzogen ist, noch ohne diese. Die Augensterne sind uer-
tieft, der Blick etwas aufwärts gerichtet, der Ausdruck des Gesichtes
oon mildem Ernst.
Uom Kunstmarkte.
(Der Wiener Kunsthandel und das Dorotheum.) Die
Kunst-, Buch- und Alusikalienhändler Wiens haben eine Eingabe
an die niederösterreichische Statthalterei gerichtet, in der Protest
gegen den Plan des Doratheums erhoben wird, wonach die Auktions-
abteilung des Instituts durch Veranstaltung heroorragender Kunst
auktionen ausgestaltef werden soll. Es sei nicht Sache eines staat
lichen Amtes, wird in dieser Eingabe ausgeführt, Versteigerungen
oon Kunstobjekten zu erleichtern, die naturgemäß ein Abströmen
dieser Objekte auch in das Ausland zur folge haben. Die Gründe,
womit der Plan des Doratheums mofioiert wird, dafj Wien im
internationalen Kunsthandel nicht die Rolle spiele, die es zu spielen
berufen ist, seien unzutreffend. Wohl könne sich Wien nicht mit
Paris und Hondon messen, den durch Tradition, geographische Hage
und Reichtum der beteiligten Kreise oon jeher wichtigsten Kunst
märkten, doch hatte und hat Wien noch immer seinen Anteil auch
an der internationalen Kunsfbewegung. Die Eingabe hebt heroor,
daß die Konkurrenz des Doratheums, das mit der Autorität einer
staatlichen Anstalt auftrete, die Wiener Kunsthändler direkt und
indirekt schädige und schließt mit der Bitte, die Sfatthalterei möge
eine Enquete einberufen, um den Wiener Kunsthandel zu heben
und ihn künftig noch leistungsfähiger zu gestalten als bisher.
(Waterloo-Reliquien unter dem Hammer.) Liber den
beoorsfehenden Verkauf des sogenannten Waferloo-Aluseums
schreibt der Brüsseler Korrespondent der „Hamb. Aachr.“ seinem
Blatte folgendes: Ich war dieser Tage auf das Gerücht oon dem
beoorsfehenden Verkauf des Aluseums nach Waterloo gefahren, um
zu sehen, ob wirklich Wertoolles wieder einmal in alle Winde zer
streut werden soll. Da wir Deutschen an Waterloo das größte
Interesse hüben, möchte ich die Aufmerksamkeit auf die an oer-
schiedenen Stellen zu findenden Waffen, Uniformstücke, Skelette usm.,
die auf dem Schlachtfelde gefunden wurden, lenken. Ob alles echt
ist, wage ich nicht zu behaupten Immerhin ist troß der in Brüssel
blühenden Waterloo-Industrie uieles doch unzweifelhaft echt, und
es wäre schade, wenn dies nun in Sammlerkreise zerstreut würde.
Alan sollte das Wichtigste aus Staatsmitteln ankaufen und in un
seren Aluseen unterbringen. Die Gebeine der gefallenen Deutschen
müßten aber schon längst dort ruhen, wohin sie gehören: unter