(jroßgitter, die ins 13. oder gar 12. Jahrhundert zurück-
reichen, kennen wir in Österreich nicht mehr} Gitter-
vorkomrnen von dem Ausmaß wie in Conques, einer
Walliahre am Wege nach Santiago in Compostela, die
aus Ketten, die die Gefangenen nach ihrer Befreiung ge-
spendet hatten, umgesebmiedet worden waren, haben wir
im Osten wohl nie besessen. Auch die Gitter von Tu-
dela in Navarra, die um 1230 entstanden, zeigen diesel-
ben Formen, wie die erwähnten französischen. Anderen
Orts wie in Burgos oder in der Auvergne blieben die
Ketten bis heute unverändert an den Kirchenwänden.
ursprünglich dazu gedient, den Mönchschor von der
Wallfahrerkirchc zu trennen. Über dic Datierung lesen
wir ICAIM, was wir als Ignaz Culpa Abt in Mondam-
aufzuschlüsscln haben. Nur über dem Eingang zum
Doppelallar Thomas Schwanthalers, den es heute um-
gibt, sehen wir wenige, bescheidene Blechschnitte. Wä-
ren sie nicht farbig gehöht, würde man die Kreuzigungs-
gruppe, wappcnhaltende Engel und Ostcrlamm zwischen
den herrlichen Durchstoßungen und -schlingungen kaum
bemerken. Es steht damit in deutlichem Kontrast zu den
Kreuzner Gittern an der dortigen Meggauerkapellcf in
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FRI
ED KASTNER
ÖSTERREICHISCHE GROSSGITTER
Es spielt in Österreich liisenwerk der Romantik allein als
Beschlag eine Rolle und dient so vor allem der Sicher-
heiLg
Auch Gitter aus den gotischen Kunstabschnitten sind in
Osterreich - denkt man an die Beispiele in Verona
oder in Siena, in Frankreich und Spanien oder im Hildes-
hcimcr und Magdeburger Dom - selten. Wir nennen als
unser schönstes Stück, das aus Solbad Hall, das un-
verändert die „Heilstümcrsammlunglß die Ritter Flo-
rian Waldauf für seine Grabkapclle gesammelt hat, ge-
gen das Schiff der Plarrkirche abschließt. Das beliehte
Linienthema ist zugunsten farbiger Wappen der Ge-
schlechter in der Krönung zurückgetreten. Das Feld bil-
den Rauten- und Fischblasenmustcr.
Während die Spanier ihrem Bedürfnis nach dem isolier-
ten Coro durch Gitter bis über 15 Meter Höhe nach-
kommen und dabei meist die durch sie reich entwickelte
Balustermusterung verwenden, verschreibt sich Oster-
reich jenen Renaissancegitter-liormen, die die Spirale
nach allen Möglichkeiten hin auswerten. Diese der
Schrift verpflichtete, fast völlig abstrakte Liniensprache
kennt wohl erst Zuziehung von Kleinwappen, später
Stabendungen, die durch kleine Mohnkapseln, Äpfel,
Birnen, Eicheln, Engel oder Engelsköpfe mit ihren Gold-
höhungen mehr vom Malcrischen her in der Felderkom-
position mitsprcchcn. Die Additionsmuster Italiens drin-
gen im Manierismus ähnlich wie der spanische Baluster-
Stab auch bei uns ein, doch nur für wenige Jahre und an
zweitrangigen, kleineren Arbeiten. Die Spirale, wie die
Flechtmuster verdankt die heimische Eisenkunst den
Schöpfungen Albrecht Dürers und der Kleinmeister] Sie
erhält sich bis in den Hochbarock mancherorts bis um
1720 5 frisch am Leben.
Schon 1573 liefert der kaiserl. Büchscnrneister und
Gitterschmied jörg Schmidhammcr aus Prag (wo er
1577 stirbt) das bekannte Gitter für das Maximiliangrah
in der Innsbrucker Hofkirche. Mit ihm nimmt die alpen-
ländische Eiscnkunst der Renaissance ihren großartigen
Anfang. Paul Trabl schuf die Zeichnung nach dem Gitter
des Fürstengrtibcs im Veitsdom zu Prag. Kaiser Maxi-
milian II. mußte wohl den Auftrag an den Sudetendeut-
schen vergeben haben, weil diese Formen den Meistern
des Alpengebictcs noch nicht geläufig waren (Bild 2).
Tatsächlich kommt das Gros unserer heimischen Mei-
ster erst gegen 1600 zur vollen Entfaltung, wenn auch
schon das Gitter des Salzburger Marktbrunnens 1583
und das Abschlußgitter der Kapelle, die das Grab Ferdi-
nand II. und seiner Gemahlin Philippine Welser birgt,
1588 durch den Innshrucker llans Peck gearbeitet wurde.
Für die Donauländcr folgt erst 1599 ein Großgitter für
die Mönchs- und Wallfahrerkirche St. Wolfgang a. See.
Neben den Innshrucker Kaiser- und Fürstengittern
ist es auffallend bescheiden. Es hat möglicherweise
denen die Gegenreformation mit kategorischem lmpe-
rativ einsetzt (Bild 3), während der Abt konservativ und
in Milde waltet. Nicht nur die Rautengitter selbst brin-
gen nichts Neues, ja die Bannknoten - wie über dem
Opferstoek - weisen noch am Beginn der Neuzeit aller-
tümliche Vorstellungen7 auf. In der 7.cit der Religions-
kämpfe wird zweifellos nun auch den Gittern wieder
in den Kirchen jene Bedeutung eingeräumt, die sie in
den letzten jahrzehnten in den Schlössern des Adels 'n-
genommen hatten. Zugleich wird sich nun auch das Bür-
gertum seiner Bedeutung bewußt und setzt ihren Markt-
brunnen gegittcrtc Hauben auf" oder legt wie um den
Lindwurm in Klagenfurt 1634 durch Jörg Tillitz ein
mächtiges mit bunten Wappen besetztes Gitter.
Mit dem Wiederaufblühen der Klöster setzt eine neue
Bautätigkeit ein und die Archive weisen in erhöhtem
Maße Meisternamen aus, die uns bei der Fülle belegter
Arbeiten abgerundete Arbeitsleistungen aber auch per-
sönliche Noten zu erkennen erlauben. l)ie barocke Raum-
vorstellung erhält gerade von der Eisenkunst besondere
Akzente. Die Freude an den Ganggittern sollte für die
österreichischen Barockklöster besonders kennzeichnend
werden. Ihre vielen kunstvollen Gitter werden sichtbare
Zeichen ihrer monastischen, wie hohen wirtschaftlichen
Blüte. Wir dürfen in den Böhmerwald- und Wald-
viertelklöstern nicht jenen Reichtum der Entfaltung und
nicht jenen Gitterreichtum erwarten, wie in den Klö-
stern in den Donauländern und am lnn. Stift Schlägl
besitzt nur drei Großgitter, Kremsmünster nach Ver-
lust des Guntergrahgitters noch fünf ursprüngliche (zwei
neue kamen dazu), St. Florian zeigt gar neun. Spital zrP.
weist zwar nur vier Gitter in, an und vor der Kirche auf,
doch kommen hier die reizvollen Wcgkapellengitter im
Klosterbereich dazu. Auch Pfarr- und Wallfahrtskirchcn
treten in diesen Wettstreit ein. Die Wandpfeilerkirchen
erlauben großartige Entfaltungen und Mariazell erreicht
hier durch die Leistung des St. Lambrechtcr Kloster-
schmiedes Blasius Lackner einen besonderen Rang."
Die Braunauer Stadtpfarrkirche wird zum hohen
Lied des Zunftwesens, leider werden wir durch Ver-
lust des Archives in Bayern (Landshut) die Namen der
Schmiede nie mehr erfahren. Müssen auch die Fenster-
gitter, Oberliehten, Wasserspeier, Füllungsgitter, Stie-
gengitter, Brunnenlauben und Speisgitter sowie die nie-
deren Gitter der Seitenkapellen (Garsten) neben Riesen-
gittern, wie dem Hans Meßners in St. Florian (12,5 Meter)
zurücktreten, so bereichert doch ihre Fülle die Barock-
bauten nicht minder. In Wien erweitert sich die Mög-
lichkeit auf den Kranz der Paläste, wobei der barocke
Reichsstil die Eiserikunst stark bestimmt, da auch un-
sere großen Barockbaumeister wiederholt Gitter ent-
werfen. Es feiert die barocke Gitterabschirmung weithin
ihre Triumphe, sie liegt dem österreichischen Raum ganz