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Internationale 
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Zentralblatt für Sammier, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
4. Jahrgang. Wien, 15. Februar 1912. Nr. 4. 
Die internationale Plakatausstellung in der Wiener „Secession“. 
Von Dr. Ottokar Mascha (Wien). 
Um die eben jetzt in den prächtigen Räumen dei 
»Secession« stattfindende außerordentlich sehenswerte 
Internationale Plakatausstellung richtig zu beurteilen, 
muß berücksichtigt werden, daß dieselbe von ausübenden 
Künstlern, und zwar von einer ganz bestimmten 
Künstlergruppe Wiens veranstaltet worden ist, die 
mitten im Schaffen steht, deren Mitglieder vielfach selbst 
Plakate zeichnen und naturgemäß vor allem anderen in 
ihrem eigenen Hause ihre eigenen Werke unter den 
günstigsten Bedingungen ausstellen wollen. Ein öffent 
liches Museum, Kunstgelehrte, kunstverständige Samm 
ler hätten natürlich auf andere Gesichtspunkte Wert ge 
legt und würden die Ausstellung wohl von vornherein 
anders arrangiert haben. Für das große Publikum wäre 
die Ausstellung gewiß interessanter und instruktiver ge 
wesen, wenn sie auf kunsthistorischer Grundlage aufge 
baut gewesen wäre, wenn also in sukzessiver Reihe zu 
erst einige wenige, heute noch erreichbare Inkunabeln 
der Plakatkunst aus allen Ländern, sodann lehrreiche 
Beispiele aus Frankreich, Belgien und England gefolgt 
wären, wo aus den Plakaten schlechtweg, langsam 
Künstlerplakate geworden sind. Hieran hätten sieh dann 
leicht alle anderen Nationen aus der Blütezeit der 
Plakatkunst 1890 bis 1900 anschließen können. Typische 
und sorgsam ausgewählte Beispiele aus der Gegenwart 
hätten dann zum Vergleiche herausgefordert. Dann 
hätte so mancher das Ausstellungslokal verlassen mit 
dem Bewußtsein, daß er zwar auch einen Kunstgenuß 
gehabt, wie durchschnittlich bei einer anderen Kunst 
ausstellung, daß er aber in einem kurzen Anschauungs 
unterricht einiges Neue erfahren habe, und zwar bei 
einer Gelegenheit, wie sie bisher in Wien überhaupt 
noch nicht zu Gebote gestanden hat und voraussichtlich 
bei der hier noch immer stattfindenden Unterschätzung 
der Plakatkunst auf lange hinaus nicht wieder kommen 
wird. Ganz zweifellos wäre eine solche Ausstellung aber 
viel trockener und langweiliger ausgefallen und es hätten 
da viele Plakate in Farbe und Stimmung weniger zu 
einander gepaßt. Sie hätte mehr auf den Verstand ge 
wirkt als auf das Auge. 
Die Ausstellung ist nun hauptsächlich im HinblicK 
auf künstlerische Wirkung arrangiert. Zwei Zwischen 
wände des herrlichen Olbrichschen Ausstellungshauses 
wurden entfernt, daher aus den drei Hauptsälen ein 
einziger Ausstellungsraum geschaffen. Aus diesem ge 
langt man in einen Saal, in dem Gegenstände, die mit 
einer Plakatausstellung absolut nichts zu tun haben, ge 
funden werden, architektonische Pläne, Veduten und 
Modelle des Architekten Leopold Bauer und stim 
mungsvolle Entwürfe H a r 1 f i n g e r s, die als Glas 
fenster der Bielitzer Pfarrkirche ausgeführt worden sind. 
Nach Besichtigung dieser gewiß sehr interessanten 
Sachen wird man wieder daran erinnert, daß man eigent 
lich in einer Plakatausstellung ist, denn man sieht von 
einem verglasten Balkon aus ein Halbrund im Freien, 
das gänzlich mit Plakaten bedeckt ist, und die Wirkung 
derselben im Freilicht, in Sonne, Wind und Wetter zeigt. 
Zurückgekehrt in den Hauptraum, gelangt man von hier 
in einen Nebenraum und findet in beiden Sälen 83 Original 
entwürfe von Secessicns- und anderen Künstlern, Ent 
würfe, die bisher noch nicht zu Plakaten geworden sind. 
Beim Betreten des großen Saales ist nun der erste 
Eindruck ein geradezu berauschender. Die einzelnen 
Entwürfe und Plakate sind mit großer künstlerischer 
Sorgfalt, ja mit so bewundernswerten Raffinement in 
Größe, Sujet und Farbe zueinander gestimmt, daß dem 
Beschauer zuerst alles vor den Augen schwirrt; nach 
und nach aber, wenn sich der erste Farbenrausch gelegt 
hat, die Details in wunderbarer Harmonie sich vonein 
ander lösen und zu näherem Genuß einladen. Um eine 
künstlerische Wirkung im großen, als Ausstellung zu er 
zielen, hätte diese gar nicht geschickter arrangiert wer 
den können, und man vergißt ganz darauf, daß sie in 
methodischer Anordnung instruktiver gewesen wäre. 
Unter den wirklichen Plakaten sind viele allerbeste 
Blätter da, von französischen, belgischen, englischen, 
nordamerikanischen, deutschen und österreichischen 
Künstlern, die wegen der schon eingetretenen Seltenheit 
den heimischen Sammlern von Künstlerplakaten, die 
leider hier noch dünn gesäet sind, nur aus Reproduktionen 
bekannt geworden sind. Sie gehören zwei Wiener 
Privatsammlern, von denen der eine, Architekt Otto 
Polak, am 3. Jänner einen Vortrag über Reklame- und 
Plakatkunst gehalten hat, der, ohne Phrasen, aber mit 
positiven Daten, von fleißigem Studium der einschlägi 
gen Literatur zeugte und durch Klarheit der Zusammen 
fassung sich ausgezeichnet hat. Ein noch sehr archaisch 
anmutendes Plakat C h e r e t s aus dem Jahre 1876 ist
	        
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