Vortheile, dem Herkömmlichen zu schmeicheln und dessen Vorzüge
zu preisen.
Von anderer Seite hat eine Ausschreitung entgegengesetzter Art Rodin
beinahe einen schlechten Dienst erwiesen: das übertriebene Lob, manchmal
von zweifelhafter Aufrichtigkeit, mehr litteriarischer als kritischer Natur.
Gewisse enthusiastische Beurtheiler, denen der Bildhauer nicht entgegentreten
wollte, da er ihnen zu sehr verpflichtet war, um es zu wagen, ihr Urtheil zu
missbilligen, banden ihn durch ihre Redensarten, indem sie ihm viele Absichten
zuschrieben, an die er gar nicht dachte, indem sie tiefe Mysterien zu enthüllen
schienen dort, wo der Künstler durchaus nicht der Meinung war, ein gedanken-
volles Werk zu schaffen, indem sie ferner gewisse mangelhafte Arbeiten
durch ihr Lob in erhabene Schöpfungen umwandelten. Sie machten aus dem
im Grunde genommen schüchternen und bescheidenen Künstler die hoch-
müthige Gottheit irgend eines mysteriösen, dem Profanen verschlossenen
Tempels und isolirten ihn immer mehr vom Publicum.
Es wäre zu wünschen, dass sich Rodin eines schönen Tages von diesen
Verbindungen befreie, und da er nun beherzt dem grossen Publicum seine
Werke zeigt, hoffen wir auch, dass nach so vielem, ununterbrochenen
Forschen, nach so vielen, seit dreissig Jahren unermüdlich fortgesetzten ehr-
lichen Studien, die zu so ungemein ausdrucksvollen Werken führten, sich das
Verständnis für die aus Originalität und Lebendigkeit bestehende Schönheit
dieser Schöpfungen entfalten werde, so dass diese Schönheit endlich
Jedermann in die Augen springen muss, hell leuchtend zur Ehre der
französischen Kunst.
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Rodin bildete sich thatsächlich selbst aus, indem er unmittelbar nach
der Natur arbeitete; daher stammen alle seine Vorzüge und Mängel. Der
Schulunterricht hat weder seine natürlichen Gaben beeinträchtigt, noch seine
Vorstellungskraft gefälscht. Anderseits aber erfolgte auch nicht so bald die
Läuterung seiner Gedanken durch Erziehung.
Geboren in Paris im Jahre 1840, besuchte er vorerst Baryes Curse im
Museum. Dort wurde ihm durch die mächtigen Sculpturen dieses grossen
Unverstandenen, ferner durch einige Anatomien fast nur ein stummer
Unterricht zutheil, doch empfing hiebei der junge Künstler eine feste
Grundlage von Kenntnissen. Er verbrachte sodann sechs Jahre, 1864 bis
1870, als Praktiker im Atelier von Carrier-Belleuse, einem Bildhauer von
liebenswürdiger und gefälliger Art, der damals sehr beliebt war und von
dem Rodin vielleicht die manuelle Fertigkeit erlernte, wobei er aber
ohne Zweifel mehr darbot als er in Empfang nahm. Als Mitarbeiter
eines belgischen Künstlers, van Rasbourg, setzte er die handwerksmässige
Lehrzeit noch von 1871 bis 1877 bei der Ausschmückung der Börse in
Brüssel fort. Es wäre interessant nachzuforschen, welche Sculpturen an