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Eine Altwiener Hochzeit dagegen ist etwas grau ausgefallen, wahrscheinlich der leidigen
Reproduction zuliebe. Mehrere Räume sind „jung-Belgien" gewidmet, das auffallend stark
nach Alt-Belgien schmeckt und seine Vaterländischen Galerien sichtlich im Leibehat. Kraft-
naturen sind jedenfalls Maurice Blieck, dessen Parklandschaft mit herbstlichen Laubmassen
ordentlich durchschlägt, und die ener-
gischen Fleischmaler Potvin und Ba-
stien. R. Wytsmans Beguinenhäuschen
aus Brügge können sich allenfalls
anschliessen, desgleichen Gouweloos'
„Mutter und Kind", das in Vortrag und
Lichtführung Treffiiches bietetu Ein
grossmächtiges Bild: „KönigskindeWvon
G. M. Stevens ist ein versauceter Burne- '
Jones, während seine kleine „Pariserin"
in Grau nicht ohne Glück whistlerisirt.
Unter den belgischen Bildhauem, die hier
ausstellen (Mascre, Matten und andere)
hat jef Lambeaux' Muskelkunst einigen
Schaden gestiftet. Von einheimischer
Plastik ist manches Gute zu melden.
Kassin wird in derPorträtbüste (Minister-
präsident Dr. v. Körber, Oberlandes-
getichtsrath v. Cischini) immer stärker.
Stephan Schwartz bringt mehrere neue
Sächelchen von schneidigem Reiz („Er-
wacht", eine Art lkarusfigur; „Chiantiß
zwei Satyrn als Träger eines Fiaschettos).
Von Benk sieht man einen weissen Mar-
morkamin mit Museniiguren und einem
hübschen Kinderfries, bei etwas schul-
mässigem Renaissancewesen, und eine
ziemlich akademische Colossalbüste des
N __ Franz Hein, Aus den Illustrationen zu Gedichten von
GQWCHSCYIQPTETS 381'011 Hugel- Von Albert Rotfhack, Original-Lithographie
Meixner eine Grabstele, die er nicht übel
mit „Secession" aufputzt. Endlich von Weyr die reich componirte Huldigungsplaque der
Künstlergenossenschaß: zum Jubiläum Sr. Majestät und ein Madonnenrelief, dessen pointirte
Flachheit an fiorentinische Frührenaissance erinnert.
QM RATIÄPIAÜSKELLER. Der Kunstmonat November hat uns unter anderem
die Vollendung des Rathhauskellers gebracht, dem die Ausgestaltung des Volks-
kellers noch gefehlt hatte. Dieser stattliche Raum ist ein 27 Meter langer, 81]? Meta-
breiter Saal, dem seine Höhe von allerdings nur 5 Meter den (übrigens in weiten Kreisen
geschätzten) Kellercharakter wahrt. Die künstlerische Gestaltung war, wie bei den übrigen
Räumen, dem Architekten Iosef Urban und dem Maler Heinrich Lefler übertragen. Urban
hat den ganzen Raum von neun Traveen mit acht weitgespannten, einspringenden Rund-
bogen, in roth gebeiztem Rustenholz (Firma J. W. Müller), montirt, das in zierlicher
Gliederung die Construction begleitet und an den Plafonds grosse Rosetten, zum Theil für
elektrisches Licht, bildet. 'Die ornamentale Wandmalerei (von Ladewig) lässt diese
Monürung noch coloristisch ausklingen. Auch das Kupfer zieht Urban reichlich heran,
zum Beispiel in ganzen Reihen zierlicher Appliken (mit Becher- und Traubenmotiven), die
das gesammte, des Kostenpunktes halber aus senkrechten Fug- und Nuthbrettern
bestehende Lambris mit zwei horizontalen metallischen Punktreihen durchsetzen.
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