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AMERIKANISCHE BILDHAUER S9 STUDIE
VON KLARA RUGE, NEW-YORK Sh
IE Kunstsaison 1902-1903 wurde in New-York mit
einer Skulpturenausstellung eröffnet, und zwar
ist dieselbe in dem grossartigsten Ausstellungs-
lokale der Stadt, dem Madisonsquaregarden,
in Szene gesetzt worden. Derselbe umfasst
x6o.0oo Quadratfuss und wurde bisher noch nie
zu Kunstausstellungen verwendet. Nur im An-
schluss an andere Ausstellungen wurden Neben-
säle für kleinere Kunstausstellungen benutzt.
Auch diesmal galt die Ausstellung nicht aus-
schliesslich der plastischen Kunst, sondern
die Gärtner hatten sich mit den Bildhauern vereinigt und die mächtige
Rotunde - als solche ist der Hauptsaal angelegt - in einen Garten ver-
wandelt, in dem zwischen Rosen, Orchideen, Chrysanthemen und Nelken die
Werke unserer hervorragendsten Bildhauer placiert waren.
Dieser Vorgang hatte manche Vorteile, aber auch manche Nachteile.
Das Lokal ist nicht in der für Kunstgegenstände erforderlichen Weise
beleuchtet - weder bei Tag noch bei Nacht. Eine sehr geschmack-
volle, graublaue Bedachung von weichen Stoffen war für diese
Ausstellung hergestellt worden, aber das Licht konnte in zu grosser
Menge eindringen und die Skulpturen wirkten daher flach. Abends
dagegen war die Verteilung der elektrischen Lampen eine derartige, dass
starke Licht- und Schattenwirkungen ausgeschlossen waren. Ferner
beeinträchtigte die bunte, grelle Blumenpracht die monochromen Bilder-
werke. Am besten kamen noch die I-Iochreliefs zur Geltung, da sie keines
Hintergrundes bedurften.
Der Vorteil der Veranstaltung lag darin, dass das grosse Publikum
durch die immerhin sehr reizvolle Ausstellung herangezogen ward, weil es
gewöhnt ist, die Veranstaltungen im Madisonsquaregarden mitzumachen,
während die Ausstellungen in dem Kunstpalast der Fine Art Society und
anderen Künstlerklubs immer nur von einer Minderzahl, bestehend aus
einigen Kunstkennern und den Künstlern, besucht werden.
Dass wir ausschliessliche Skulpturenausstellungen besitzen, ist überhaupt
noch gar nicht lange her, unsere Skulpturgesellschaft besteht erst seit zirka
18 Jahren. Natürlich wurden bereits bei früheren Ausstellungen Skulpturen
einbezogen, aber die Skulptur war stets das Stiefkind und es ward ihr nie
genügend Raum gegönnt. Erst seit dem Bestehen der „National Sculpture
Society" sind mehrere selbständige Skulpturenausstellungen abgehalten
worden - gewöhnlich jedes zweite Jahr - von denen die letzte die gross-
artigste war. An Schönheit wird sie aber von ihren zwei Vorgängerinnen
(1895 und 1897) übertroffen.
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