Gartenftadtland Hellerau
Gemeindewefens fcbafft. Zu diefen Bauwerken gehört vor allem
die Schule und ein Gefellfchaftshaus für die Zwecke der Er=
bauung, des geiftigen und künftlerifcben Genuffes, das Volks
haus. Sport- und Badeplätje, ferner praktifche Hnlagen für
alltägliche Bedürfniffe, wie Konfumverein, Dampfwäfcherei,
Schweine- und Geflügelzucht, Blumen- und Gemüfegärtnerei
und ähnliche Dinge, die von der privaten Hauswirtfchaft los»
gelöft und unter rationeller fachmännifcher Leitung zu gemein-
famer Nu^nießung betrieben werden können, gehören in den
Plan eines folchen Gemeindewefens, das auf künftlerifch fozialer
Grundlage den, wenn auch im kleinen Umfang und mit privaten
Mitteln verfuchten Wiederaufbau der Gefellfchaft auf einer
Grundlage unternimmt, die die Armut in der peinigenden Form
von Elend und Verwabrlofung grundfätjlich ausfcbließt. □
Die Qualität eines Gemeindewefens, die Fruchtbarkeit und
Schaffensfreude für den Alltag und für die höheren Aufgaben
des Dafeins ift lediglich abhängig von der menfchlicben Qualität
der Mitbürger, von ihrem fittlichen und geiftigen Adel, von
ihrer Fähigkeit, perfönliche Freiheit mit Zucht und Ordnung
zu verbinden und Gemeinfinn nach hoher Auffaffung zu be
tätigen. In diefer Hinficbt fehen wir eine Bürgfcbaft nicht nur
in dem Betriebswefen mit feinem veredelten Arbeiterftand und
in der bocbftebenden Gefinnung der Freunde und künftigen
Mitbürger der Gartenftadt, fondern zugleich auch in den von
diefer Auslefe gefchaffenen Bedingungen zur Pflege eines hoch-
entwickelten geiftigen und künftlerifcben Lebens. Indem wir
einen kurzen Ausblick auf diefe höheren Intereffenfphären er
öffnen, foweit uns die bereits entwickelten Anfä^e dazu be
rechtigen, vermeinen wir nicht die fchwankenden Ideale einer
zweifelhaften Menfcbheitsbeglückung zu verfolgen. Wir find
einfach und befcheiden genug, um zu wiffen, daß in der Schaf
fung guter wirtfcbaftlicber und kultureller Grundlagen für ein
neues, zeitgemäßes Wohn- und Gemeindewefen zwar eine fehr
wichtige, aber nicht die einzige und ausfchließliche Bedingung
menfcblicher Wohlfahrt liegt. Es liegt daher fern, das reale Ge
bäude mit jenen Menfcbbeitsbeglückungstbeorien zu umnebeln,
die gewöhnlich mit unklaren Gartenftadtideen verknüpft werden
und auf Selbfttäufcbung und Denkfehlern beruhen. Wenn wir
aber dennoch von gemeinfamen geiftigen Intereffen der künf
tigen Gartenftadt reden, fo gefchieht es lediglich im Hinblick auf
den an der Gründung intereffierten Perfonenkreis und feiner be»
flehenden Intereffenfphären, die durch den Gemeindezufammen-
fchluß felbftverftändlich eine Steigerung erfahren dürften. So
ift z. B. die bereits im Anfcbluß an die »Deutfcben Werkftätten
für Handwerkskunft« arbeitende Schule mit Lehrwerkftätten
berufen, in der »Gartenftadt Hellerau« in großer Ausdehnung
die handwerklich künftlerifche Bildung zu einem allgemeinen
Bildungsziel und die Gartenftadt zur Pflegeftätte des kunft-
handwerklichen Bildungswefens zu machen. Ferner foll nach
dem Programm eines hervorragenden Mufikpädagogen die
mufikalifcbe Organifation der Gemeinde nach einem wohlüber
legten, alle Befähigten umfaffenden Plan durchgeführt werden.
Das fchon erwähnte Volkshaus wird den Raum zur Darbietung
künftlerifcber, geiftig gefelliger und feftlicber Veranftaltungen
geben. Die erlöfende Macht der volkstümlichen Fette und Ge
bräuche, die heute viel fad} ihres fymbolifdien und geiftigen
Charakters entkleidet und leider zu oft der Verrohung anheim
gefallen find, bedürfen nur der künftlerifcben Befeelung, an die
wir denken, um ihre bocbgelinde Kraft von neuem zu bewähren.
Es ift ebenfo leidfl als felbftverftändlich, für die wiffenfchaftliche
und praktifche Aufklärung und geiftige Förderung auf allen
Lebensgebieten zu forgen, worunter nicht zuletzt die Intereffen
einer veredelten Körperpflege von Gefundbeitswegen verftanden
ift. In diefer Hinficbt wird eine ärztliche Kraft zur Seite flehen,
die nicht nur Krankheiten zu heilen, fondern, was wichtiger er*
fcheint, Krankheiten zu verhüten vermag. Wir dürfen diefen
ganz allgemein und kurz gefaßten Ausblick mit der Erwartung
befcbließen, daß der fchöpferifche Geift des Gemeindewefens als
eine Verbindung gewerblicher, wirtfcbaftlicber, geiftiger und
künftlerifcber Intelligenzen das nach jeder Seite hin geftaltungs*
froh machen wird, fei es im Wege gemeinfamer Veranftaltungen
oder des gefchloffenen perfönlicben Schaffens. □
Soll das Land fchön, das Volk gefund und das Leben freudig
lein, dann darf eine Wohn- und Arbeitsgemeinfcbaft nicht der
künftlerifch fozialen Grundlage entbehren, auf die wir die
»Gartenftadt Hellerau« gründen wollen. Das veredelte Menfchen-
werk ift es, wodurch ein Land fchön, ein Volk glücklich und
und feine Wirtfchaft gedeihlich erfcheint. Es beftebt die Meinung,
daß nicht nur der Einzelne, fondern die Gefamtbeit ein Intereffe
daran haben, daß ein vorbildliches Werk wie das obige zuftande
kommt und die weitgebendfte Förderung feitens der gefellfchaft-
licben und ftaatlichen Lebensmächte findet. JOSEPH BUG. LUX
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