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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 1)

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TOGGENBURGER BAUERNHÄUSER 50 VON 
H. __E. VON BERLEPSCH-VALENDAS -PLANEGG- 
MUNCHEN Sie 
AS Interesse, das seit einiger Zeit dem Studium der 
ländlichen Bauweise entgegengebracht wird 
und bereits einer umfangreichen Literatur das 
Leben gegeben hat, ist in Architektenkreisen 
wohl nicht so sehr auf Gründe historischer 
oder antiquarischer Art zurückzuführen, als auf 
die allmählich wieder platzgreifende Erkennt- 
nis, daß bei Nutzbauten Sachlichkeit in jeder 
Hinsicht die erste Bedingung, die dekorative 
Erscheinung ihr anzugliedern, unterzuordnen 
sei, daß man konstruiert und die Total- 
erscheinung festlegt, ehe man dekoriert. Beim Bauernhause von ehedem ist 
das der Fall. Vereinzelte fachliche Stimmen sind freilich schon seit Dezennien 
laut geworden, die auf den ausgesprochenen Sinn für zweckdienliche Ein- 
richtungen aufmerksam machten, der sich auf diesem Gebiet dokumentiert. 
Sie sind aber nicht gehört worden, diese vereinzelten Stimmen Klarsehender, 
denn die Wucherungen einer auf akademischer, nicht immer sachgemäßer 
Basis stehenden Anschauung über Formenlehre drängte zurück, was nicht 
auf „gleicher Höhe" stand, mochten auch damit Dinge aus dem Wege 
geräumt werden, deren ganzes Wesen Wahrheit, wirklich bauliches Denken 
atmet. Das Unwahre liebt sein Gegenteil nicht. 
So haben die vergangenen Jahrzehnte ein unbarmherziges Zerstörungs- 
werk in Szene gesetzt, dessen Fühlbarkeit sich immer weiter ausdehnte. Den 
Landstraßen, den Flüssen entlang, hinein in die Bergtäler und hinauf an die 
Halden der Alpengebiete, überallhin kamen sie, die Boten einer an wirklicher 
Kultur ärmeren Zeit und rissen nieder, was unter der Leitung geschickter 
Handwerker einst entstanden war, örtliche Sitten und Bodeneigentümlich- 
keiten, Arbeitsart und Gepflogenheit ausdrückend. Die neue internationale 
bauliche Sprache kannte keine Lokalfärbung mehr; ihr war der Maßstab des 
Persönlichen verloren gegangen. Sie setzte an dessen Stelle die Schablone, 
den Schuldrill, die geistlose Nachbeterei von Erscheinungen, deren Formen- 
sprache ebenso für eine bestimmte Zeit kennzeichnend sind, wie literarische 
Monumente dieser oder jener Epoche. Monumentalität bringt andere Forde- 
rungen, als schlichte Bürgerlichkeit sie stellt. Die beiden wurden verwechselt. 
In das bürgerliche Element wuchs etwas hinein, das nicht hineingehört. 
Der Bourgeois gentilhomme wurde ins Architektonische übersetzt, der 
Palazzo des Signoren benützt, um die Erscheinung von Bauten bedeutsam 
zu machen, in deren eng gruppierten Gemächern keine Kavaliere und reich- 
gekleideten Edeldamen, sondern meist Leute sitzen, die sich ums tägliche 
Brot quälen müssen. Diese Prinzipien blieben nicht auf das rasch ins 
 
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