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Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 4)

Stiftung bedingt in erster Linie ihre Bedeutung. Der auf rechnerisch gesun- 
der Basis unternommene Vorstoß vielmehr ist es, der die Charakteristik des 
ganzen Unternehmens bildet. Vom gleichen Geiste beseelt ist ein zweites, 
nicht minder bedeutsames Unternehmen: Das Arbeiterdorf Port Sunlight bei 
Liverpool. Davon in einem weiteren Artikel. 
DAS SCHLAFZIMMER 5h VON HARTWIG 
FISCHEL-WIEN S0 
O lange das Zinshaus unser Wohnungswesen be- 
herrscht, sind auch alle Bestrebungen zur künst- 
lerischen Gestaltung des bewohnten Raumes ein- 
geengt und behindert. Überall, wohin wir unser 
Augenmerk richten, sei es zur Tätigkeit der Ver- 
gangenheit oder Gegenwart, sei es zur Heimat 
oder Fremde, überall werden wir nur dort ein 
Gedeihen und Blühen des Wohnungswesens ent- 
decken, wo auch die Liebe zum Heim, die Wert- 
schätzung dessen, was der Volksmund die 
„eigenen vier Wände" nennt, zu finden ist. In der 
jüngsten Entwicklungsperiode des fast plötzlichen Anwachsens der Städte, 
des Dominierens der Mietskaserne, der Bauschablone, ist die Bedeutung der 
Wohnungskunst, der „Kunst im Hause" auf ein bedauernswertes Niveau ge- 
sunken. Wie ein Schiff ohne Steuer ist die Wohnung durch wechselnde 
Mode, durch den Einfiuß historischer Stile, die einander ablösten oder auch 
gleichzeitig zusammen einwirkten, hin und her geschoben worden, gar oft 
zum I-Iohne dessen, was gleichzeitig als Vorbild gepriesen wurde. 
Erst die wachsende Liebe zum Familienhaus, erst das Interesse am 
individuell gestalteten Bau hat der künstlerischen Bildung der Wohnung 
neue Impulse zugeführt. Und das glänzende Beispiel des Nordens, besonders 
der Einfluß Englands hat in der jüngeren Generation wieder das Vertrauen 
gefestigt, das einer allmählichen Entwicklung einer modernen Wohnungs- 
kultur hoffnungsvoll entgegensieht. 
Die gleichzeitig wiedererwachte Beachtung jener Periode, welche der 
Kongreßzeit folgte und bis vor kurzem so geringschätzig abgetan wurde, 
hat eine bemerkenswerte Tatsache neu bekräftigt, die für das Studium älterer 
und alter Kunst von großer Bedeutung ist. 
Wie derselbe Text eines alten Buches von verschiedenen Generationen 
verschieden gelesen wird, so hängt auch die Wertschätzung alter Kunst gar 
sehr mit den geistigen Bedürfnissen der Zeit zusammen. Das inhaltreiche 
Buch der Geschichte ist wie das Bilderbuch alter Kunst allen Generationen 
ein anderes gewesen. Jede Zeit hat das Recht, die Vergangenheit in ihrer 
Weise zu deuten, und diese Deutungen werden so lange wechseln, als neue 

	        
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