vorausgesetzt, daß der Entwerfende ein wirklicher Künstler sei, was nicht allemal der Fall
ist. Auch dem Mann, der durch seine häusliche Umgebung ein Abbild der Vermögens-
verhältnisse bieten will, kann leicht geholfen werden, denn er ist zufrieden gestellt, wenn
keine andern Anforderungen als diejenigen des Geldbeutels an ihn herantreten. Das
Richtigste wird zweifelsohne stets dann getrolTen, wenn der Besteller selbst Geschmack
und Ideen hat, um zu bestimmen, was ihm taugt, was nicht! All diese an sich gewiß ein-
wandfreien Räume oder wenigstens der größte Teil derselben präsentiert sich mit einem
gewissen Aplomb. Wer ihn liebt, dem gefallen sie gewiß. Wer ihm fern steht, blickt
die Pracht ebenso wie die oft gesuchte Einfachheit meist mit kühlem Herzen an - sie
haben ihm wenig, vielleicht nichts zu sagen, sie entbehren der persönlichen Note, sie
sind seelisch unwohnlich wie so vieles andre, was sich heute in die intimen Tiefen des
Lebens eindrängt. Darüber hilft nicht Pracht noch Eleganz hinaus. Beides kriegt man,
je mehr man davon hat, satt. Bekannt genug ist ja, daß so mancher Große, der nicht aus-
schließlich Repräsentationsmensch war oder ist, sich irgendwo einen geheimen, stillen
Winkel suchte oder schuf, der keine Anforderungen konventioneller Art stellt. Lauter
„gute Stuben" - entsetzlicher Gedanke! . . . . Da ist unter andren ein größerer Raum von
Richard Riemerschmid, ein Zimmer mit Balkendecke, der etwas erhöhte Nebenraum
durch ein Kreuzgewölbe überspannt, in schlichtem Tannenholz, an dem der Stoff zwischen
den I-Iartrippen ein wenig herausgefegt ist, vertäfelt, durchaus anspruchslos, ohne jeden
Aufwand. Wie kommt's, daß es sofort wie das Antlitz eines guten Freundes wirkt? Es steckt
etwas von dem drin, was auf der x87Ger Ausstellung das bürgerliche Wohnzimmer von
Gabriel Seidl zu einem allgemeinen Point d'attraction machte und allen gleichzeitig ausge-
stellten, weit luxuriöser ausgestatteten Zimmern gegenüber siegreich standhielt. Es wirkte
wie eine Persönlichkeit, nicht wie etwas Gemachtes. Das ist's, was auch Riemerschmids
Raum auszeichnet und was weiter die ganze Suite von Gemächern, die unter Gabriel von
Seidls Leitung entstanden, trotz altväterischer Anklänge recht behalten läßt so vielem
andren gegenüber, dem es trotz Aufwand an kostbaren Materialien dennoch an jenem un-
definierbaren Etwas fehlt, das erwärrnend wirkt, das Zuneigung weckt, das verwandte
Saiten erklingen läßt. Die stolze kalte Schönheit ist es nicht, die wir Nordländer bean-
spruchen für Räume, in denen sich der größere Teil des Lebens abspielt. Deswegen be-
darf es noch lange keiner Rückkehr zur Butzenscheibenromantik. Ihr Antipode ist der
hohe Kothurn, das Kühl-Unpersönliche, was heute an der Tagesordnung ist. Warum? Wir
haben uns selbst noch nicht wiedergefunden! . . . Besser ist es immer und richtiger
auch, an guten Familientraditionen festzuhalten, als von allen möglichen Maximen ein
Stück, einen Fetzen zu erhaschen, um daraus neue Erscheinungen ohne innerlichen Halt
formen zu wollen. Das ist's, was so manchen radikal Gesinnten keinen Gefallen finden
läßt an der formensicheren Art der Engländer, von deren kultureller Lebensführung der
eine und andre stolze Kontinentale lernen könnte. Hinter unserer künstlerisch bestimmten
Tradition steckte ehemals eben auch Formensicherheit. Wir haben sie trotz aller techni-
schen Errungenschaften noch nicht wieder gewonnen und wir werden sie auch nicht
wieder gewinnen ohne eine innerliche Erneuerung, ohne Rückkehr zu dem, was Stammes-
eigentümlichkeit war. Die meisten Modernitäten tragen den Stempel des Gewollten an
sich, nicht den des aus natürlichen Bedingungen selbstverständlich Erwachsenen. Nicht
jeder, der kostbare Bilder auf die Wände seiner Wohnung hängt, ist ein künstlerisch
Emphndender. Gar oft wirkten weit billigere Dinge, dahin gehängt, wo sie hängen
müssen, zusammengestimmt mit der Umgebung, weit feiner. Und so geht's mit den
Wohnräumen. Für viele, für die meisten bleiben das freilich immer und ewig Geheim-
nisse. jenen mag die Masse der ausgestellten Räume die Bewunderung erwecken, deren
sie eben fähig sind.
Selbstverständlicherweise sprechen in einer Stadt, wo jahraus, jahrein künstlerische
Arbeit jeder Art Unsummen von geistigen Ausgaben veranlallt, wo die besten deutschen
Witzblätter erscheinen und eine Menge andrer Umstände die graphische Mitteilung des