ZUM 2. DEZEMBER 1908
2.:: IE sechzigjährige Regierung Kaiser Franz
Joseph I. ist eine Epoche der Regeneration des
gesamten öffentlichen Lebens in Österreich, des
ä gzä geistigen, politischen, sozialen, vor allem des
IQ: künstlerischen. Der Unterricht an den Hoch-
: schulen, Mittel- und Volksschulen wurde auf
. S. .. .. u .. u .. . neue Grundlagen gestellt, reiche Quellen der
Bildung durchfließen nach allen Richtungen den
Volkskörper; der Wissenschaftsbetrieb, mit immer sich mehrenden
Hilfsmitteln ausgestattet, hat eine vor dem Jahre 1848 ungeahnte
Höhe der Entwicklung genommen; die Anteilnahme der breitesten
Schichten an den Arbeiten im Dienste des Staates, der Länder und
Gemeinden, die Pflege der sozialen Wohlfahrt hat sich, gestützt
auf die Verbreiterung der Bildung, die Selbständigmachung der
Einzelnen und ihren Zusammenschluß in Interessengemeinschaften,
ins Ungemessene erweitert; die wirtschaftlichen Hilfsquellen des
Staates haben sich durch die intensivste Bearbeitung und Ausbeutung
des Bodens, durch die mächtigste Entfaltung und Nutzbarmachung
der Technik immer reicher und reicher gestaltet und einen Wohl-
stand, wenn auch wie natürlich unausgeglichen und gar oft den
gesetzmäßigen Erschütterungen des Lebens ausgesetzt, verbreitet
und vertieft, welcher die unerläßliche Voraussetzung, aber auch der
natürliche Nährboden einer frischen und freien Entfaltung künst-
lerischer Arbeit ist. Im reichsten Maß ist diese Arbeit unter steter
Teilnahme und unmittelbarer Förderung des Kaisers in Schaffen,
Lehre und Erziehung während dieser sechzig Jahre geleistet worden.
Wir können sagen, der größte Ruhmestitel dieser an Sorgen und Er-
folgen reichen Zeit ist die Stellung, welche von Kaiser Franz Joseph
der Kunst im Leben seiner Völker eingeräumt worden ist. Wien
und Österreich hat in diesen sechs Dezennien hierin einen Vorrang
sich erobert und behauptet, den nur eigener Kleinmut jeweilig
herabsetzen konnte, die Geschichte aber allzeit wird anerkennen
müssen. Dieser Aufschwung von den kleinsten Anfängen in oft müh-
samer Wiederanknüpfung an vergangene große, in mancher Hin-
sicht gewiß auch größere Zeiten, in stetiger, immer ernster und
hingebender Arbeit hat viel von dem persönlichen Pulsschlag des
kunstbegeisterten Herzens unseres Kaisers. Von frühester Jugend