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Volltext: Monatszeitschrift XI (1908 / Heft 11)

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zu deren Füßen die Jünger der Kunst ihren Worten lauschen. Die Medaille ist in Bronze- 
ausführung zugleich für jene Persönlichkeiten bestimmt, welche sich um das Erzherzog- 
Rainer-Museum besondere Verdienste erworben haben und auf Beschluß des Kuratoriums 
dem Erzherzog-Protektor zur Auszeichnung vorgeschlagen werden. 
BERLIN. CHRONIK DER ANGEWANDTEN KÜNSTE. Der Wunsch nach einer 
persönlicheren Behandlung der Gebrauchsdinge hat nun auch dazu geführt, daß sich 
Künstler der Visitenkarte annahmen. Ein Preisausschreiben regte das an und als Haupt- 
aufgaben wurden die Namenskarten zweier fürstlicher Damen, der deutschen Kronprinzessin 
und der Prinzessin Johann Georg zu Sachsen bestellt. 
Die Resultate dieser Konkurrenz, die sich nicht auf diese beiden Motive beschränkte, 
sondern auch die private Besuchskarte in weitestem Umfang in Betracht zog, sah man im 
Salon Amsler und Ruthard. Diese Übersicht bot, das sei gleich vorausgeschickt, mehr 
Gegenbeispiele als Fruchtbares. Doch gerade an dem Verfehlten läßt sich instruktiv nach- 
weisen, worauf es denn bei dieser Sache ankommt, was ihr Stil sei. 
Das scheint in diesem Fall eigentlich sehr einfach. Es handelt sich darum, auf einem 
Blatt mittleren Formats Namen, eventuell auch Titel, charakteristisch und dekorativ auszu- 
drücken. Das Dekorative muB aus dem Wesen des Typographischen kommen, aus der 
Schrift und dem ihr gemäßen Zierat, Wappen, Monogramm, Initial, Bordüre, Umrahmung. 
Aber das Dekorative wird hier meist mißverstanden und schief angewendet, und das alte 
Übel sinn- und taktlosen Aufputzes triumphiert. Ansichtskarten illustrativer Art, mit 
Landschaften, Burgen, Parkportalen werden gemacht, und, was doch die Hauptsache sein 
müßte, der Name steht wie zufällig und ohne organische Verbindung mit dem Bilde nur 
so dabei oder er wird in einen schiefen und geschmacklosen Zusammenhang gebracht. 
Ganz Arges läuft dabei unter. Der Name Adolf Hildebrandts wird als Grabschrift auf einen 
Sarkophag gesetzt. Einem Theologen wird zwischen Vor- und Zunamen ein Kruzifix mit 
Passionswerkzeugen geschoben. Der Titel der Kronprinzessin paradiert als Aufschrift 
eines Altarblattes, das von Genien und musizierenden Engeln umrankt wird. Es scheint 
eine starke Zumutung, jemandem den Gebrauch solcher Karten anzubieten. 
Eines der schlagendsten Gegenbeispiele ist der liegende weibliche Akt, unter dem 
ein Damenname steht. Abzulehnen sind auch die spielerigen und die Rebuskarten, die 
ihren Schmuck in plattem Witz suchen, die einem Herrn Hugo Licht einen Leuchter und 
dem Herrn Bernhard Blumgart einen blühenden Gartenzaun als Emblem geben. 
Zu der vornehmen und diskreten Zurückhaltung, die sich für die Karte schickt, paßt 
auch nicht ein gewisser Varietestil. Für Zirkus-Geschäftskarten mag das gehen, wenn zu 
den Namen Hagenbeck oder Schumann als Vignette eine Löwen- oder Eisbär-Dressur- 
nummer hinzugefügt wird. Doch die Ulkdackel auf der Karte eines Oberförsters, eines 
höheren älteren Beamten, sind ein Mißgriff. Das ist überhaupt ein Symptom, daß hier oft 
zwei ganz verschiedene Dinge verwechselt werden, die persönliche Namenskarte und die 
Geschäftskarte. Die persönliche Karte verlangt durchaus die Reserve, die Sitte in der guten 
Gesellschaft ist; die Geschäftskarte hat viel weiteren Spielraum, sie kann sich aller Mittel 
einer geschmackvollen Reklame bedienen, sie darf ein Plakat im kleinen sein. 
Als eine Geschäftskarte, die der Empfehlung von Luxusfuhrwerk dient, wäre sehr 
anzuerkennen das tonige Blättchen mit dem Hansomwägelchen im Ovalrahmen, das an 
Nicholsons Handschrift erinnert. Als Namenskarte aber ist es zu verwerfen. Wie stellt 
sich wohl der Entwerfer E. Aufsetzer die Benutzung dieser Karte vor? Soll vielleicht der 
Herr eines Eigenfuhrwerks renommistisch solch besitzanzeigendes Emblem an sich tragen. 
Das wäre doch abgründiger Ungeschmack. Dabei ist, wie gesagt, die kleine Zeichnung von 
sehr feinem graphischen Geschmack, woraus man lernen kann, daß es in diesen Gebrauchs- 
requisiten und der auf sie angewandten Kunst keine absolute Schönheit gibt, sondern daß 
hier nur die aus dem Wesen und den Bedingungen der jeweiligen Aufgabe abgeleitete 
Zweckästhetik gilt.
	        
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