LJ« Finanzminister Ludwigs XIV. hatte versucht, die politische
Vormachtstellung Frankreichs durch ein einheitliches Wirtschafts
system zu festigen und zu unterbauen. Seine Gedankengänge, daß
dies nur durch gegenseitige Förderung von Handel und Industrie zu
erreichen wäre, und seine praktischen Maßnahmen zur Erschließung
der materiellen Quellen und zur Veredlung der im eigenen Bereiche
erzeugten Produkte, wurden in der Folge von allen europäischen
Staaten übernommen. „Die Manufakturen“, so sagte Colbert, „werden
den Rückstrom von Geld erzeugen, und das ist der einzige Zweck des
Handels und das einzige Mittel, die Größe und die Macht des Staates
zu vermehren.“
Im Jahre 1710 bestätigte der Kurfürst von Sachsen, August der
Starke, in einem allerhöchsten Dekrete eine jener Manufakturen,
von der zu erhoffen war, daß sie durch ihre „zärtlichen und feinen“
Erzeugnisse zur „Wiederbringung einer gesegneten Nahrung und
Gewerbes“ beitragen könnte. Mit den im Lande häufig und im
Überfluß gefundenen Materialien war es ein Jahr zuvor (1709) dem
Alchimisten Johann Friedrich Böttger nach langem Experimentieren
gelungen, das erste Hartporzellan in Europa herzustellen. Die
erdigen Ausgangsmaterialien Kaolin, Quarz und Feldspat waren zu
einem glänzenden und durchscheinenden Endprodukte verwandelt
und veredelt worden. Die vom Töpfer geformten Gefäße und Ge
räte erhielten im Feuer eines zweimaligen Brandes jene Eigen
schaften, die sie an „Schönheit und Tugend“ dem vielbegehrten
„indianischen“ Porzellan des fernen Ostens ebenbürtig machten.
Damit hatte das „so zärtlich als edle Feld des feinen Porzellans“
seinen Anfang genommen. Und wie kein anderes Material war es
geeignet, die Wesenszüge des 18. Jahrhunderts zu repräsentieren.
Bildsamkeit und marmorne Härte, Transparenz und festlicher Glanz,
die Eigenschaften des Porzellans, waren vom Barock bis zum Klassi
zismus Leitmotive und Triebkräfte, die sich auf alle Äußerungs
formen des menschlichen Daseins erstreckten.
Doch nur wenige Jahre sollte das Arkanum, das sorgsam gehütete
Geheimnis der Fabrikation des Porzellans, auf die in Meißen ein
gerichtete kursächsische Manufaktur beschränkt bleiben. Ein Jahr
vor dem frühen Tode des Erfinders wurde bereits in Wien die
zweite Porzellänmanufaktur Europas gegründet.
Nach den siegreichen Türkenkriegen und als aufstrebende Groß
macht Mitteleuropas fühlte sich Kaiser Karl VI. im Jahre 1717 be-
KUNSTGEWERBE»
MUStUMINWIEN
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