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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 84)

spenstige blonde Haar ist in strähnigen 
Locken zusammengefaßt. 
Die Frau trägt ein schwarzes Kleid mit 
weißem Hemdeinsatz und pelzgesäumtem 
Ärmel und eine die Stirn bedeckende 
weiße Haube, die in einem Zipfel über 
die rechte Schulter herabfällt. In der allein 
sichtbaren Linken hält sie ein Sträußchen 
roter Nelken. Fleckige Schatten und frei 
aufgesetzte Lichter treiben die Einzelformen 
des kräftig modellierten Kopfes und Halses 
stärker hervor, als es beim Manne geschieht. 
Die unliebenswürdige Strenge des Ant- 
litzes wird durch nichts gemildert. Un- 
stirnmigkeiten in der Verkürzung des 
Mundes, in der Zeichnung der ganzen 
uns zugekehrten Gesichtshälfte gehören 
ebenso zum graphischen Stil des Porträts 
wie die Zeichnung der hart gebrochenen 
Falten, der welligen Säume. 
Der Landschaftsausblick in grünen und 
erdigen Tönen ist malerisch freier. In der 
Mitte erhebt sich, auf beide Bildet verteilt, 
eine Burg, an deren Fuß ein Gehöft mit 
einem spitzbogigen Tor liegt. Darüberhin 
ziehen Wolken. Auf der Rückseite jeder 
Tafel Findet sich in großen Ziffern das 
Datum 1521. 
Man darf die lnnsbrucker Bildnisse als 
tüchtige und charaktervolle Leistungen der 
altdeutschen Porträtkunst ansprechen, ohne 
ihnen einen allzu hohen Rang einräumen 
zu wollen. Sie folgen dem hergebrachten, 
vor allem von Bernhard Strigel gepflegten 
Bildnistypus mit landschaftlichem Aus- 
blick, bleiben aber hinter den nach Linie 
und Farbe kultivierteren Schöpfungen des 
Memminger Meisters zurück. Daß es sich 
um Arbeiten der Augsburger Schule han- 
delt, ist wohl nie bezweifelt worden. Sucht 
man nach Vergleichbarem, so stößt man 
auf ein Marienbild der Galerie in Agram, 
dessen Landschaftsausschnitt engste m0- 
tivische Übereinstimmungen mit dem der 
Bildnisse zeigt. Burg und Gehöft Enden 
sich dort, annähernd gleich gruppiert, 
wieder. Nach Buchner handelt es sich bei 
dem Marienbilde um ein Werk des älteren 
Jörg Breu mit der die Alterswerke des 
Künstlers kennzeichnenden „Verschärfung 
und leichten Verhärtung der Formge- 
bung"6. Er setzt es um 1525 an, freilich 
mit der Einschränkung, daß bei der un- 
gleichmäßigen Arbeitsweise Breus eine ge- 
nauere Datierung nicht möglich sei. 
Gleichfalls in den Beginn der zwanziger 
Jahre des 16. Jahrhunderts gehören die 
beiden Tafeln mit den Heiligen Bartholo- 
mäus und Nikolaus (Abb. 3), den Heiligen 
Sebastian und Eustachius (Staatl. Kunst- 
halle, Karlsruhe). Hans Rupe brachte sie 
mit einem Altarbild in Zusammenhang, das 
die Heiligen Ulrich und Afra zeigt (Penn- 
sylvania Museum of Art, Philadelphia) und 
auf Grund der Bezeichnung „HB 1520" 
als ein Werk Burgkmairs galt. Rupe 
bestritt die Echtheit des Monogrammes 
und schrieb den ganzen Altar Breu zu7. 
Wieder zeigen die landschaftlichen Motive 
- an erster Stelle die Burg - am sinn- 
fälligsten den Zusammenhang mit den 
Innsbrucker Bildnissen. Das Gehöft, das 
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im Agramer Marienbilde neben dem Kopf 
des Kindes erscheint, Endet sich auf den 
Karlsruher Flügeln neben dem Kopf des 
hl. Bartholnmäus, wobei es ganz ent- 
sprechend von einer Baumsilhouette über- 
deckt wird. Bestimmte bei dem Marien- 
bilde der zugrunde gelegte Dürerstich B. 40 
den Faltenstil, der freilich übertrieben wird, 
so ist Breu in den Karlsruher Tafeln sein 
eigener Herr. Die Heiligen sind, ähnlich 
den Bildnissen, im Einzelnen überformu- 
lierr, im Ganzen ein wenig trocken. Da 
sich die Figuren der Landschaft stärker 
angleichen, ergibt sich ein ruhigerer Ge- 
samteindruck. Die Modellierung der Köpfe 
V man vergleiche den des hl. Nikolaus 
mit der lnnsbrucker Frau A, die Zeichnung 
der Falten und Säume, schließlich die 
Wiedergabe des Haares sind nah verwandt: 
Beim lnnsbrucker Herrn wie beim hl. Eu- 
stachius wird das volle Haupthaar durch 
in hellerem Ton aufgesetzte und in sich 
selbst bewegte Locken belebt. 
Wir gehen wohl nicht fehl in der Annahme, 
daß die Dargestellten der Porträts zu den 
Landschaftsausblicken keine andere Be- 
ziehung haben als diejenige, welche im 
Bilde sichtbar wird, stimmen doch die 
Baulichkeiten auf den verschiedenen "Fafeln 
nie genau übereinß. Andernfalls müßte 
man die Arbeiten noch enger miteinander 
verknüpfen, müßte man sich die Frage 
stellen, ob die Porträtierten vielleicht die 
Besteller der Altar- und Andaehtsbilder 
waren. Ohne archivalische Belege ist hierauf 
eine Antwort nicht zu Enden. 
An die besprochenen Bildnisse läßt sich 
das eines Mannes in Sibiu (Hermannstadt) 
anschließen (Abb. 4). Im alten Katalog des 
Brukenthalmuseums wird es der Schule 
des Bernhard Strigel zugewiesen"). Es mißt 
40,5x31 cm und ist laut Katalog auf 
Erlenholz gemalt. Die Wendung des Dar- 
gestellten nach rechts ist für ein Einzel- 
porträt ungewöhnlich, so daß wir ein 
verschollenes Gegenstück annehmen dürfen. 
Die Übereinstimmungen mit den lnns- 
brucker Bildnissen sind evident, die Ab- 
weichungen geringfügig. Das Barett über- 
schneidet die Landschaft ein wenig mehr, 
die allein sichtbare linke Hand greift in 
den Pelz. Hinter dem Manne ist eine 
Brüstung eingezogen, die die Jahreszahl 
1521 trägt. Zu seinen l-läupten liest man 
die etwas vordringliche Altersangabe 56. 
Mögen schon ursprünglich die Übergänge 
etwas weicher gewesen sein als in den 
lnnsbrucker Porträts, so müssen sich doch 
Schultern und Barett des Dargestellten
	        
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