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noch andere Werke von ihm festzustellen. Für das Jugendwerk eines
bisher wenig bekannten und ungenügend gewürdigten Meisters, dessen
Bedeutung wir aber nach der außerordentlichen Anerkennung seiner lang-
jährigen Dienste durch die sächsischen Fürsten unbedingt annehmen müssen,
erschien eine genauere Betrachtung des reizenden Brunnens in St. Wolf-
gang um so gerechtfertigter, als das liebenswürdige Werk trotz seines fast
vierhundertjährigen Bestandes dank der Güte seines Materials und dessen
glänzender Verarbeitung nicht den geringsten Schaden aufweist. Abt Wolf-
gang Häberl von Mondsee, der Stifter des Brunnens, mochte wohl selbst
das gemeinsame Werk Lienhart Rännachers und Peter Mülichs in seinem
künstlerischen Werte erkannt haben, denn ihm zum Schutz errichtete er
darüber einen zierlichen Tempel (Abb. 21). Der Bau erhebt sich auf
quadratischem Grundriß. Vier schlanke Säulen tragen auf weit ausladenden
Kämpfern von einfachem Profil Korbbogen, von denen aus mit Hilfe von
Pendentifs sich eine flache Kuppel wölbt. Außen ladet über die Flächen
der Bogen ein kräftiges Gesims aus, von dem aus dann das gemütliche
Schindeldach in anmutigen Wellenlinien emporstrebt. Die Säulen, die auf
sechseckigen Postamenten ruhen, haben schlichte attische Basen, leicht-
geschwellte Schäfte und einfache Kapitäle mit einer Hohlkehle zwischen
zwei Wülsten, wie sie schon der Spätgotik in den Salzburger Landen
geläufig sind. Zwei einander gegenüberstehende Säulen tragen an den
Kapitälen kleine Schildchen, das eine mit dem verschlungenen Monogramm
des Stifters A und W - Abt Wolfgang -- das andere mit der jahr-
zahl 1518.
Durch diese Datierung gewinnt der Bau bei aller seiner Einfachheit
noch besonderes Interesse für die Geschichte der Frührenaissance in Öster-
reich, denn er zählt, was bisher allgemein übersehen wurde, zu den frühesten
Äußerungen des neuen Stils, ja er wird, wenn wir von dem Wladislawsaal
in Prag, dessen Fenster- und Portaldekoration keineswegs für das Jahr 1493
verbürgt ist, absehen, als das älteste Bauwerk Österreichs angesehen werden
dürfen, an dem sich trotz mancher Anklänge an die verfiossene Epoche
doch schon der neue Geist in schlichter Klarheit ausspricht. Nicht wie
meist bei den österreichischen Bauten der Frührenaissance haben wir bei
dem Brunnentempel mit dem Werk eines italienischen Baukünstlers zu
rechnen - dagegen spricht vor allem die Form der Säulen - sondern mit
der Schöpfung eines deutschen Meisters.
Abt Wolfgang starb, wie uns sein Bildnisgrabstein in der früheren
Klosterkirche von Mondsee, das künstlerisch nicht sonderlich hervorragende
Werk eines Salzburger Steinmetzen, meldet, im Jahre 1521. Sein Name aber
wird wieder aufleben in der Kunstgeschichte mit den zwei liebenswürdigen
Werken, die der kunstsinnige Stifter ins Leben gerufen hat, mit dem
graziösen Erzbrünnlein und der nicht weniger anmutigen Brunnenhalle zu
St. Wolfgang am Abersee.