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Volltext: Monatszeitschrift XVII (1914 / Heft 4)

Stammgruppe um Liebermann, die sich nach Ausscheiden der Frondeure um Corinth 
- der Secessio nova Corinthiaca - neu zusammenschlossen und so verbunden wieder 
in ihr altes Kurfürstendammhaus einzogen. Ihr neues Zeichen ist die gegen früher unge- 
wohnte Gastlichkeit gegen die „gefährliche Jugend", die sie mit ihrer robusten, grellen, 
oft sich selber überschreienden Experimentier- und Exzeßfreude zu sich kommen läßt 
durch einladend doppelt geöffnetes Tor. Und ihr alter guter Zug ist die von jeher betonte 
Dokumentierung des Zusammenhangs mit der reifen Kunst, wodurch noch jede dieser 
Veranstaltungen ein bedeutsames und über alles Tägliche überlegenes Janusgesicht bekam 
mit dem Blick ins Gewordene und ins Künftige. Das Wertvollste der rückwärts gewandten 
Prophetie bildet die Verölfentlichung der Sammlung Stern zum Gedächtnis des ver- 
storbenen Bankdirektors und kennerhaften Kunstfreundes. 
In feiner Auslese finden sich hier die Werke der großen französischen Impressio- 
nisten: duftige Marinen von Monet, das Himmernde Geflirr Pissaroscher Boulevards (von 
oben gesehen), Manets Porträt der Schauspielerin mit dem aus aus dem Dunkel auf- 
tauchenden affektdurchfluteten Antlitz; Sisleys funkelnde weich verüießende Seineland- 
schaft; der frühe Picasso mit der blumigen Reifrockdame auf grünem Sofa in träumerischem 
Crepuscule; Carrieres schattenhaft visionäre Freundinnen, Niobidengesichte, Astarten- 
phantome in der Dämmerung der bruna notte; Desgaz' russische Tänzerinnen im Elan 
des Rhythmus und der Koloristik: Vuillards dekorative Interieurlyrik und Denis' blasser 
Osterfrühling voll Legendenstimmung weißer Märchensärge und abgeschiedener Kinder- 
seelen im Flügelkleid. Dazu die Deutschen: Liebermann mit der Kraft des Altmänner- 
hauses und des Biergartens, Trübners Kürassiere, Slevogts nerviges Rennen. 
Doch wir müssen uns losreißen von diesen Schätzen, aber mit dem Gefühl, daß sie 
bleiben werden. Solch Sicherheitsgefühl einer in sich befestigten und beharrenden Kunst 
hat man auch zwischen den hier vereinigten frühen Thomas. Voll Dauer, altmeisterlich 
blicken uns die beiden Bildnisse von 1870 an: der Mann ehrenfest, voll gesammelt geistig 
strengen Lebens im schmalen dunkelbärtigen bebrillten Gesicht; die Frau leibhaft tüchtig, 
dabei aber in sich gekehrten Blicks; man möchte sich die Mutter von Kellers Grünem 
Heinrich so denken; dazu Landschaften in Stille gebettet, in seidiges Blaugrün seligen 
Abends und holder Kinderreigen voll Frühlingsstimmen. 
Tiefe, große Odemzüge der Natur vemimmt man auch bei Trübner. Seine Bilder 
schwingen in Grün; Bäume und Sträucher neigen sich zum Waldbach, altes Gemäuer 
umspinnt dichtes Rankenweben - allereinfachste Motive, aber im beschwichtigten Gemüt 
fühlt man eratmend: Du bist die Ruh'. Trübner hat auch einen Knaben gemalt, stattlich, 
schlank und aufrecht im Ritterpagenpanzer, gleich einem Velasquez-Infanten anzusehn, 
doch mit kernig deutschem jungengesicht, der Georg des Götz von Berlichingen. 
Von den andern alten Sezessionisten führt immer noch Liebermann an. Sein Porträt 
Fuldas blickt außerordentlich charakteristisch und triHt vor allem eins: das durchaus nicht 
heitere, eher hypochondrische Gesicht mit dem zum geflügelten Wort oder Klingelreim 
gespitzten Mund. Eine Überraschung werden daneben die beiden Hundebilder. Es will 
schier bedünken, als ob, je mehr Liebermann die Menschen kennt, um so lieber ihm 
die Hunde werden. Mit solcher Liebe ist selten ein Zweifüßler von ihm gemalt worden 
als diese beiden Kerlchen. Dabei sind sie nicht einmal von seiner Favoritrasse, dem 
Dackelgeschlecht, über dessen Züchtungsgeheimnisse und letzte „ConnoisseuW-Wissen- 
schaft Liebermann und Oskar Fried, der Musiker und Teckelomane, sich so oft schon 
die amüsantesten Debattierschlachten im dicksten Berlinisch lieferten. Die beiden Hünd- 
chen sind langhaarig, braun-weiß-schwarzHeckig, mit wuscheligem Behang, von warmem 
geiiederhaften Glanz des Fells. Woran erinnert nur der matte Schimmer dieser glatten 
samtweichen Haare? - ich hab's: an einen von subtilster Hand gebügelten Zylinder a huit 
refiets. jedenfalls ein Stück Malerei von allerhöchsten Graden. Fesselnde Porträte - 
um vom Hund auf den Menschen zurück zu kommen 7 zeigen Walter Bondy (den 
gebirgigen, von Gedankenwegen durchfurchten Philosophenkopf Hermann Cohens und
	        
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