ER wirtschaftliche und zugleich der künstlerische Auf-
schwung der alten niederbayrischen Herzogsstadt
Straubing seit ihrer Erhebung zur Residenz durch
die Länderteilung von x 353 fand ihren sichtbarsten
Ausdruck zunächst in den BautenHerzogAlbrechts,
dem massigen Donauschloß von x 365 und der
1367 gegründeten, später umgebauten Karmeliten-
kirche, denen das aufblühende Bürgertum r 393
die Kirche St. Veit und endlich I-Ians Stettheimers
glänzende Halle von St. Jakob gegenüberstellte.
Nicht weniger augenfällig spiegelt sich Straubings
Blütezeit in seinen plastischen Denkmälern, namentlich den Sepulkralwerken
wider. In den Marmorbildern dieser Fürsten
und Ritter, dieser Bürger und Bürgersfrauen
ersteht das lebensvolle Bild einer großen Ver-
gangenheit, eine Stadtchronik monumentalen
Stils blättert sich in diesen Denkmälern vor
uns auf. Aber sie werden, obwohl sie freilich
bis jetzt so gut wie unbeachtet blieben, mehr
noch der Geschichte der deutschen Bildnerei
angehören, einesteils durch ihren - zum Teil
wenigstens - außergewöhnlichen künstleri-
schen Wert und als Träger neuer fortschritt-
licher Gestaltungsmöglichkeiten, andernteils
als Schlüssel und Belege bisher unbekannter
Strömungen innerhalb der Marmorplastik des
deutschen Südens.
Diesen unvermittelten und überraschen-
den künstlerischen Aufschwung an den Sepul-
kralwerken Straubings, namentlich aus dem
ersten Drittel des XV. Jahrhunderts, nahm
man ohne Zaudern bisher als etwas Selbst-
verständliches, fast Naturgemäßes hin. Man
sprach schlechtweg von einer „Straubinger
Schule", ohne sich über Stil und Herkunft
dieser Werke lange Rechenschaft zu geben
und zu untersuchen, wie sie sich denn eigent-
lich zu den wenigen Werken der künstlerischen
Vorvergangenheit des Gebietes verhalten.
Abb. 1. Grabstein des Heinrich von Kirch-
herg in der Klosterkirche zu Mallersdorf
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