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Der starke Bevölkerungszuwachs nach dem Wiener Kongreß hat der
Stadt aber auch zahlreiche Zinshäuser gegeben, die jedoch, weit entfernt von
dem Palastcharakter späterer Tage, einfache Behaglichkeit ausströmten,
hochstöckige Hausanlagen, welche das Stadtbild nicht störten; man brachte
sie im Stadtinnern auf den Basteien, angelehnt an die Mauern und Tore an
oder draußen auf den Glacis, so vor allem am josefstädter Glacis.
' Ein eigenes Kapitel der
Franziszeischen Kunst bil-
det die Friedhofskunst. Wer
noch im Zweifel wäre, ob
die heutige oder die Kultur
vor hundert Jahren höher
zu bewerten ist, vergleiche
die Kunst unserer alten und
neuen Friedhöfe miteinan-
der. Von den Architekturen
und Plastiken unseres Zen-
tralfriedhofes, deren Ge-
samtkosten mit 200 Millio-
nen Kronen nicht zu hoch
beziffert worden sein dürf-
ten, wird nur wenig den
kommenden Geschlechtern
etwas zu sagen haben. Die
Sparsamkeit und Schlicht-
heit, die vor hundert Jahren
auch auf allen Friedhöfen
herrschte, hat uns fast kei-
ne prunkvollen Grabmäler
überliefert; mit den gering-
sten Mitteln wurde aber viel
geleistet, Liebe und Gemüt
spielten hierbei die erste
Rolle. Das schlichte Grab
des großen Feldherrn Lau-
don im Hadersdorfer Park
von Zauner spricht aus, mit welch einfachen Mitteln man einen Großen der
Zeit würdig zu ehren wußte. Eine Wanderung durch die Friedhöfe auf der
Schmelz, in Währing und Döbling, aber auch auf jenen der kleinen Land-
Städte, wo neben dem Steinmonument noch die gute alte Eisenschmiedekunst
in trefflichen Grabkreuzen vertreten ist, beweist uns, auf welcher Höhe des
Empfindens jene Zeit gestanden ist. Totenkultus und Wohnkultur sind der
beste Gradmesser für den Charakter einer Zeit und nicht die Luxuskunst, die ein
falschesBild gewährtvon demWesen derMenschen und diesesWesen verdirbt.
Grabdenkmal auf dem Währinger Friedhof in Wien