Ein anderes schwarzes Kostüm mit einer Corsage aus einer an alte Prunkhauben
erinnernden reliefhaften Goldstickerei läßt in der die Beine drapierenden Stoffkomposition
an Tanagra-Statuetten denken. Und daraus erkennt man, daß dieser Peintre-Tailleur keine
theoretischen Programme macht, sondern stets den lebendigen Körper im Auge hat.
RIEGSBILDER IN DER AKADEMIE. Aufwühlend erlebnisvoll packen
Ludwig Dettmanns farbige Skizzen aus dem Kriege. In ihnen fühlt man einen noch
von allen Nerven zuckenden Niederschlag furchtbaren Geschehens. Impressionen im
Augenblick empfangen und festgehalten sind sie und, wie begreiflich, von einem Maler auf
das Malerische hin erfaßt; aber darüber hinaus loht, unabsichtlich, unbewußt vielleicht,
aus den kleinen gar nicht anspruchsvollen Blättern etwas Apokalyptisches. Eine Dämonie
des Grauens, die Furie der Vernichtung in neuer Verwandlung, in der Gestaltung unserer
Zeit weht über sie hin, ohne daß irgendeine früher beliebte allegorische oder symboli-
sierende Zutat gegeben wurde. Der Himmel über dieser Welt schwelt in brandiger
Untergangsglut, trüb rot von Rauchschwaden bewölkt. Über dick geballte Finsternis fahrt
er zischend grell wie Kometenfackelschein. Die Atmosphäre leuchtet in seltsam unerhörten
Farben, von den Gasen und der furchtbaren Illumination der Sprenggeschosse erfüllt.
All dies Neue ward mit neuen Augen in seiner Ungeheuerlichkeit Visionär geschaut.
Ein Stück Schützengraben von oben gesehen wirkt wie ein bei einem Zusammenstoß in die
Erde eingebohrter Eisenbahnwagen, von dem das Dach abgenommen ist. Nun blickt man
auf verrenkte, verklumpte Leiber, auf die grausigen Verzeichnungen der Gliedmaßen durch
den Tod; auf starre Larven, fahl verzerrt, mit Blutgerinnsel zwischen den Bartstoppeln und
entblößten Zähnen hinter den blassen Lippen. Und über das Elendchaos streiH: schweifend
das Blendlicht der Samariterlaternen . . .
So gräßlich dies scheint, so wenig kann man hier einen künstlerischen Satanismus
merken oder gar eine Freude am Wühlen im Grausamen. Vielmehr spürt man hier etwas
von einem strengen ehrfürchtigen Dienst, von einer großen Andacht zur unabwendbaren
Notwendigkeit. Das Leid ist geheiligt, und ein merkwürdig beseelter Schmerzensausdruck
prägt sich auch in zersplitterten Bäumen aus.
Den Rhythmus des Krieges bannt Dettmann: den Marschtritt endloser Kolonnen durch
Schneegetild; ratternde Munitionswagen, von krampfhaft sich spannenden Pferden steilauf
geschleppt. Die Energien dieser Bewegung, der Ruck des Hinauf, das springt wie elektrische
Funken auf den Beschauer über.
Das eigentümlich Mathematische, die aufrechten Köpfe der Soldaten im Erdbau mit
den horizontalen Flintenläufen; das l-ländehoch der sich Ergebenden in einem feindlichen
Schützengraben, auch die Kurven und Linien, die diese Gräben als seltsame Ornamente in
den Boden der Landschaft einzeichnen s das alles bekommt bei Dettmann seinen eigensten
völlig neugeborenen Ausdruck.
Auch Fritz Rheins Kriegszeichnungen, für die Nationalgalerie angekauü, haben nicht
gewöhnliche Art. Aber sehr interessant bleibt's, daß Rhein, der nicht wie Dettmann nur
als Malersmann zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt hinaus zog, sondern als Leutnant
und Eiserner Kreuz-Ritter im Felde steht, daß dieser gegenwärtige Berufssoldat viel weniger
die Seele des Krieges durch seine Skizzen hindurchscheinen läßt. Sie sind von einer weit
kühleren Gefühlstemperatur.
Sie geben malerische Motive aus der Kriegsumwelt, aber ohne Erregung, in einer
reizvollen graphisch erlesenen Handschrift, oft miniaturhaft; Dorflinien voll Hebung und
Senkung am Horizont in sparsamster Delikatesse, nervös gestrichelt, Hirrend, huschig. An
verbrannten Dörfern, an dem Leuchtkugelschwarm über einem Lager war das optische
Phänomen dasLockende. Und diese Ausbeute dünkt mehr Augenerlebnis als Gefühlserlebnis.
Ein dritter, Max Fabian, der sich in den östlichen Bereichen getummelt, ging mehr
auf das Illustrative der Schilderei aus. Er fing sich „Typen" ein mit dankbar farbig-flächiger
Wirkung. Polnische Dorfszenen mit grauen Uniformen, grünen Helmüberzügen zum Schnee