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kund. Zuerst warm es die Bulgaren, die der türkischen Macht erlagen; Byzanz hielt sich
noch wie ein einsamer Fels ün Meere; dann kam das serbische Volk an die Reihe. Tvrtko
hatte, als er von den Niederlagen der einzelnen serbischen Heere erfuhr, keineswegs den
Eindruck, daß die Reihe auch an ihn kommen werde, sondern benützte im Gegentheile
diese Niederlagen, um das serbische Gebiet, das von den Türken nicht angetastet wurde,
an sich zu bringen.
Die 37 jährige Regierungszeit Tvrtkos ist in zwei Abschnitte zu theilcn. In
der ersten Periode, bis 1377, strebte er als Ban nur langsam seinem Ziele zu, indem er
einerseits durch Unterwerfung der Vasallen seines Landes seine eigene Macht begründen
mußte, anderseits aber sich fest dem Ungarkönig Ludwig anschloß, dessen Oberhoheiter m
Urkunden viel ausdrücklicher und klarer als sein Oheim Stefan präcisirte. — „Dies
hat geschrieben der Diener Gottes und des heiligen Demetrius" — so lautet die Inschrift
von Dreznica — „in den Tagen der Regierung des Herrn ungarischen Königs Ludwig
(.1011111) und des Herrn bosnischen Bans Tvrtko."
König Ludwig I. unterstützte, um sich das neuerworbene Dalmatien zu sichern,
die bosnische Banalmacht nicht nur moralisch, sondern es war ihm geradezu darum zu
thun, sie in seinem eigenen Interesse zu kräftigen. Darum gewährte er dem Ban (1363 bis
1366) thatsächlich Unterstützung, und obgleich er als Bannerträger des katholischen
Glaubens (vsxilliksr tickst) die Ausrottung des Bogumilismus als eines seiner Ziele
hinstellte, hatte er doch immer nur Milde für den nicht allzugroßen Glaubenseifer Tvrtkos.
Als nun Tvrtkos Macht durch Annexion des oberen Drinagebietes, ferner Trebinje's und
Canale's auf Kosten der serbischen Staatstrümmer sich erweiterte, nahm Tvrtko, vielleicht
auf die Anregung, gewiß aber mit Einwilligung des Königs, den Titel eines Königs von
Bosnien und Serbien (1377) an und ließ sich im altehrwürdigen Kloster Milesevo zum
König salben. Dies war der bedeutungsvollste Moment seines Lebens und zugleich ein
Wendepunkt in der bosnischen Politik. Die Rolle, welche früher das Lerbenreich gegen
über den Türken in Byzanz gespielt hatte, ging nun auf Tvrtko über. Was die Serben
nicht vermocht hatten, glaubte er durch Begründung einer neuen Macht vollziehen zu
können. Er war nicht minder zäh und rücksichtslos in der Verfolgung seiner Ziele wie seine
anderen Zeitgenossen; und wenn man die verschiedenen Bestrebungen, welche seine
Regierung charakterisiren, zusammenfaßt, sieht man darin die alte Balkanpolitik, die
Expansion auf Kosten anderer und die Kräftigung der eigenen Macht, welche unter
geschicktester Ausnützung der actuellen Lage von Freund und Feind gleichen Nutzen zu
zieheu wußte.
Er erkannte mit scharfem Auge, daß für die Geschicke Bosniens nicht mehr die
Savelinie, sondern die südliche Linie als Wetterseite gelten müsse, und beeilte sich,