Es ist deshalb interessant zu untersuchen, auf welchem handwerk-
lichen und wirtschaftlichen Boden diese so ausgebreiteten und mannig-
faltigen Arbeiten ihre Entwicklung fanden, welche Wandlungen ihre Form-
gebung und Durchbildung durchgemacht haben. Man kann die Arbeiten aus
der ersten Hälfte des XIX. jahrhunderts nur dann recht verstehen, wenn
man auf diejenigen des XVIII. zurückblickt, mit denen sie viele Zusammen-
hänge verbinden, wenn auch das Zwischenspiel klassischer und fremd-
ländischer Einiiüsse eine Unterbrechung der Tradition brachte und die
Forrngebung auf anderer Basis aufbaute. Das süddeutsche und speziell das
Österreichische Möbel der späteren Barockzeit besitzt besondere Qualitäten.
Schwung und Formfreudigkeit jener Zeit haben im Mobilar der Prunkräume
nur einseitig Gelegenheit zur Entfaltung gefunden. Die Gebundenheit archi-
tektonischer Gliederungen, der geringe Bedarf an Typen für die Repräsen-
tationsbedürfnisse wirkten V _ V bildung für den Wohnraum,
auf den Möbelbau der Emp- ' W sowohl bürgerlichen wie
fangsräume lähmend. Um geistlichen Ursprungs. Ins-
so intensiver war seine Aus- besondere die Schrankmöbel
Zimmereinrichtung aus dem "Journal des Luxus und der Maden", Weimar x8o7
waren vortrefflich. Die heute unter dem Namen Sekretär- und Tabernakel-
schränke bekannten Typen mit ihrer Kombination von Kommode, Sekretär
und Aufsatzkasten können so recht als prächtige Zeugen für die handwerklich
wie formal hochstehende Möbeltischlerei jener Zeit gelten (siehe die Ent-
Würfe und Stiche von Rumpp). Handwerklich ist die an Einfällen reiche
Bauart, die den mannigfaltigsten Bedürfnissen gerecht wird, und die an-
ziehende Materialbehandlung hervorzuheben. Die Möbelstücke sind zumeist
furniert und poliert und bringen an den meisterhaft behandelten geschwun-
genen Flächen den schönen Effekt reizvoller Maserungen und Färbungen
einheimischer Holzgattungen in vielerlei Kombinationen zur Geltung. Vor-
treffliche und oft sehr reiche Einlegearbeiten beleben die Flächen, die eben
nicht bloß durch Materialreiz, sondern mehr noch durch den Schmuck der
flächenhaft behandelten Ornamente wirken sollen. Hier ist die Schmuck-
freude einer sehr zum Prunk und Formenreichtum neigenden Zeit in das
bürgerliche Milieu übertragen. Diese Arbeiten wirken heute wohl in unseren
Räumen als Glanzstücke und Kostbarkeiten, sind aber verglichen mit den
überaus reichen geschnitzten und vergoldeten Möbeln der damaligen Fest-
räume als relativ noch anspruchslos zu bezeichnen.