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Glasfabrikation.
Im Allgemeinen sind, was die Glasfabrikation Oesterreich-Ungarns betrifft, zu unter
scheiden: Hohlglasfabriken, die hauptsächlich nur geblasene Hohlwaare erzeugen; dann
Tafelglasfabriken, die sich mit der Anfertigung des geblasenen Tafelglases (Fensterglases
etc.) befassen, dessen Oberflächen nicht geschliffen werden; ferner Spiegelfabriken, welche
die zu schleifenden Glastafeln entweder blasen oder giessen und meist die Veredlung
selbst besorgen, seltener die rohen Glastafeln an Raffineure verkaufen; Lusterglasfabriken,
auch Quetschen genannt, die Lustersteine pressen, Glasstangen erzeugen, aus denen Schmuck
gegenstände u. dgl. gearbeitet werden, sowie auch Röhren ziehen, welche zur Anfertigung
von Schliffperlen oder für Glasbläser gebraucht werden; endlich kleinere Schmelzöfen, die
Composition, d. i. mit mehr Metallzusatz geschmolzenes Glas erzeugen, das wieder zu
Stangen, Röhren oder auch in Formen gepresst verwendet wird.
Es kommt wohl vor, dass in einem Hohlglasofen auch ein oder zwei Tafelglashafen
stehen, oder dass an einem solchen Ofen nicht nur geblasenes Glas erzeugt, sondern auch
Lusterglas gepresst wird; doch zählt dies zu den Ausnahmen. In der Regel gilt hier
die Theiluno- der Arbeit, weil die Zusammenziehung immerhin störend wirkt.
Die Hauptarbeiten der Erzeugung von Glas, nämlich die Zubereitung und Vorrich
tung der Glasmasse durch den Glasschmelzer und die Verarbeitung derselben durch den
Glasmacher, bedingen die volle Kraft und Ausdauer des Mannes und werden deshalb von
männlichen Arbeitern besorgt. Was die Arbeit der Knaben dabei betrifft, wie das Ein
trägen der vom Glasmacher ausgefertigten Gegenstände in den Kühltopf, und verschiedene
Hilfsarbeiten, die sie dem Glasmacher leisten, so bilden diese eben die Anfänge zur Er-
lernuno- des Handwerkes und sind Mädchen demnach hiefür nicht zu verwenden.
Das Schleifen der Holilgläser und Spiegel, wie das Graviren oder Glasschneiden be
darf gleichfalls der Manneskraft. Ersteres erfolgt in eigenen Gebäuden, den Schleifmühlen,
welche meist mit Wasserkraft, nur in wenigen Fällen mit Dampf betrieben werden. Das
Schleifen der Gläser geschieht mittelst eigener Scheiben aus Stahl, Eisen, Stein und Holz,
wobei der zu bearbeitenden Glasfläche mit Wasser vermengter feiner Quarzsand zugeführt
werden muss. Letzteres, nämlich das Graviren (Glasschneiden), erfolgt in grösseren Fa
briken, sowie auch in grösseren Raffinerien in eigenen Werkstätten, in Deutschböhmen
(Hayda, Steinschönau etc.) aber es wird vielfach auch als Hausindustrie betrieben. Das
Graviren o-eschieht an kleinen, mit dem Fusse getriebenen Maschinen mittelst kleiner
Räder aus° Kupfer oder Stahl, unter Zuhilfenahme voii Schmirgel und Oel.
Die für das weibliche Geschlecht in der Glasfabrikation erübrigenden Verrichtungen,
grösstentheils untergeordneter Art, sind:
1. Das Sortiren des Bruchglases.
Das Bruchglas (Scherben) spielt bei dem Schmelzprozesse des Glases, feinstes
Krystallglas ausgenommen, zu dem es besser nicht verwendet wird, behufs einer gleich
artigen Verschmelzung meist eine nicht unbedeutende Rolle; es wird von den Glasfabriken
allenthalben angekauft und der Schmelzmasse zugeführt. Da aber das im Handel vor
kommende Bruchglas grösstentheils aus den verschiedensten, auch farbigen Glasgattungen,
wie sie eben der Zufall zusammentrug, zu bestehen pflegt, so müssen die einzelnen Sorten
und Farben vor ihrer Verwendung sorgfältig gesichtet und gesondert werden, damit jede
Gattung nur dar ihr entsprechenden Glasmasse, wenn sie zur Verarbeitung gelangt, bei
gemengt werde.
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Die Verrichtung bedingt blos eine Kenutniss der verschiedenen Glassorten und wird
deshalb fast ausschliesslich Personen des-weiblichen Geschlechtes zugewiesen.
2. Das Pulverisiren der Rohmaterialien.
Die meisten zur Glasfabrikation verwendeten Rohmaterialien, welche im Handel nur
in Klumpen oder Stücken Vorkommen, müssen auf mechanischem Wege verkleinert, d. i.
zerrieben oder zerstampft werden. Diejenigen, welche vermöge ihres geringen Härte
grades keinen besonderen Kraftaufwand zu ihrer Zertheilung verlangen, wie Thon, Kalk
und Holzkohle, werden, wo nicht Pochwerke dazu eingerichtet sind, mittelst hölzerner
Stössel verkleinert, beziehungsweise pulverisirt, eine Arbeit, die in der Regel dem weib
lichen Geschlechts zufällt.
3. Das Waschen und Reinigen der Gläser.
Auf das Schleifen und Schneiden der Gläser folgt das Waschen und Reinigen der
selben, d. h. es müssen die geschliffenen oder gravirten Gläser von den ihnen noch an
haftenden feinen Sandbestandtheilen und sonstigen Unreinigkeiten befreit werden. Hiezu
sind Arbeiterinnen bestimmt, welche die fertigen Gläser zu waschen, abzuspülen, mit Tüchern
zu trocknen und zu säubern und hierauf in das Verpackungsmagazin abzuführen haben.
Dasselbe gilt bezüglich der sogenannten „angerauchten Glaswaaren,“ namentlich in
solchen Fabriken, wo Steinkohlenfeuerung eingeführt ist.
4. Das Poliren der Vergoldung, das Douciren und Belegen.
Das Malen und Vergolden der Hohlgläser und auch der Tafeln — in Deutsch-
böhmen häufig als Hausarbeit, sonst in eigentlichen Werkstätten betrieben — wird bis
jetzt vorwiegend von männlichen Arbeitern besorgt; doch könnten hierbei Mädchen
weit mehr als seither Verwendung finden. Meistens besteht noch der Brauch,
dass der Maler das Einbrennen seiner Arbeit selbst besorgt; diese Doppelarbeit dürfte wohl
zu anstrengend für Mädchen sein und daher auch ihre geringe Verwendung bei dem
Malen kommen, obwohl es bei der Mehrzahl der Artikel angeht, dass das Einbrennen der
Farben durch dritte Personen besorgt wird.
Jetzt ist meist nur das Poliren der Vergoldung den Frauensper
sonen zugewiesen. Dies besteht darin, dass von dem aufgelösten, mit einem Fluss
mittel versetzten Golde, welches auf dem Glase mittelst Pinsels aufgetragen und dann
wie die Farbe beim bemalten Glase in eigenen Brennöfen aufgeschmolzen („eingebrannt“)
ist, der bei diesem Processe entstehende matte Ueberzug mittelst des Polirgriffels
weggerieben wird. Das Gold erscheint in Folge dessen wieder rein und glänzend.
Unsere böhmischen Spiegelfabriken — andere bestehen in Oesterreich nicht — er
zeugen vorwiegend kleinere Spiegel und verwenden bei dem weiteren Raffiniren
Mädchen und Frauen zum Douciren der Tafeln und zum Belegen de r
Spiegel.
Ist die Platte rauh und matt geschliffen, so wird sie zunächst fein mattirt („doucirt“),
dann polirt; diese Zwischenarbeit wird theilweise von Mädchen besorgt.
Ebenso das Belegen der nicht zu grossen Spiegel mit Zinn und Quecksilber. Auf
dem Belegtische, einem in einen ringsum mit einer Rinne versehenen Holzrahmen gefassten,
vollkommen ebenen Steine — meist Kehlheimerplatten — wird eine entsprechend grosse
Staniolplatte (dünnes Zinnblech) aufgelegt, flach gestrichen, mit Quecksilber etwas angeriehen,
dann reichlichst damit übergossen und die blank gescheuerte Spiegelplatte darüber geschoben.
Nun beschwert man diese mit Bleistücken, wodurch der Ueberschuss von Quecksilber
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