MAK

fullscreen: Die Verwendung weiblicher Arbeitskräfte in der Fabriks-Industrie und in einzelnen Zweigen des Verkehrswesens Österreichs : erläuternder Text zu einer Abtheilung der Ausstellung im Frauen-Pavillon, Weltausstellung 1873 in Wien

114 
Glasfabrikation. 
Im Allgemeinen sind, was die Glasfabrikation Oesterreich-Ungarns betrifft, zu unter 
scheiden: Hohlglasfabriken, die hauptsächlich nur geblasene Hohlwaare erzeugen; dann 
Tafelglasfabriken, die sich mit der Anfertigung des geblasenen Tafelglases (Fensterglases 
etc.) befassen, dessen Oberflächen nicht geschliffen werden; ferner Spiegelfabriken, welche 
die zu schleifenden Glastafeln entweder blasen oder giessen und meist die Veredlung 
selbst besorgen, seltener die rohen Glastafeln an Raffineure verkaufen; Lusterglasfabriken, 
auch Quetschen genannt, die Lustersteine pressen, Glasstangen erzeugen, aus denen Schmuck 
gegenstände u. dgl. gearbeitet werden, sowie auch Röhren ziehen, welche zur Anfertigung 
von Schliffperlen oder für Glasbläser gebraucht werden; endlich kleinere Schmelzöfen, die 
Composition, d. i. mit mehr Metallzusatz geschmolzenes Glas erzeugen, das wieder zu 
Stangen, Röhren oder auch in Formen gepresst verwendet wird. 
Es kommt wohl vor, dass in einem Hohlglasofen auch ein oder zwei Tafelglashafen 
stehen, oder dass an einem solchen Ofen nicht nur geblasenes Glas erzeugt, sondern auch 
Lusterglas gepresst wird; doch zählt dies zu den Ausnahmen. In der Regel gilt hier 
die Theiluno- der Arbeit, weil die Zusammenziehung immerhin störend wirkt. 
Die Hauptarbeiten der Erzeugung von Glas, nämlich die Zubereitung und Vorrich 
tung der Glasmasse durch den Glasschmelzer und die Verarbeitung derselben durch den 
Glasmacher, bedingen die volle Kraft und Ausdauer des Mannes und werden deshalb von 
männlichen Arbeitern besorgt. Was die Arbeit der Knaben dabei betrifft, wie das Ein 
trägen der vom Glasmacher ausgefertigten Gegenstände in den Kühltopf, und verschiedene 
Hilfsarbeiten, die sie dem Glasmacher leisten, so bilden diese eben die Anfänge zur Er- 
lernuno- des Handwerkes und sind Mädchen demnach hiefür nicht zu verwenden. 
Das Schleifen der Holilgläser und Spiegel, wie das Graviren oder Glasschneiden be 
darf gleichfalls der Manneskraft. Ersteres erfolgt in eigenen Gebäuden, den Schleifmühlen, 
welche meist mit Wasserkraft, nur in wenigen Fällen mit Dampf betrieben werden. Das 
Schleifen der Gläser geschieht mittelst eigener Scheiben aus Stahl, Eisen, Stein und Holz, 
wobei der zu bearbeitenden Glasfläche mit Wasser vermengter feiner Quarzsand zugeführt 
werden muss. Letzteres, nämlich das Graviren (Glasschneiden), erfolgt in grösseren Fa 
briken, sowie auch in grösseren Raffinerien in eigenen Werkstätten, in Deutschböhmen 
(Hayda, Steinschönau etc.) aber es wird vielfach auch als Hausindustrie betrieben. Das 
Graviren o-eschieht an kleinen, mit dem Fusse getriebenen Maschinen mittelst kleiner 
Räder aus° Kupfer oder Stahl, unter Zuhilfenahme voii Schmirgel und Oel. 
Die für das weibliche Geschlecht in der Glasfabrikation erübrigenden Verrichtungen, 
grösstentheils untergeordneter Art, sind: 
1. Das Sortiren des Bruchglases. 
Das Bruchglas (Scherben) spielt bei dem Schmelzprozesse des Glases, feinstes 
Krystallglas ausgenommen, zu dem es besser nicht verwendet wird, behufs einer gleich 
artigen Verschmelzung meist eine nicht unbedeutende Rolle; es wird von den Glasfabriken 
allenthalben angekauft und der Schmelzmasse zugeführt. Da aber das im Handel vor 
kommende Bruchglas grösstentheils aus den verschiedensten, auch farbigen Glasgattungen, 
wie sie eben der Zufall zusammentrug, zu bestehen pflegt, so müssen die einzelnen Sorten 
und Farben vor ihrer Verwendung sorgfältig gesichtet und gesondert werden, damit jede 
Gattung nur dar ihr entsprechenden Glasmasse, wenn sie zur Verarbeitung gelangt, bei 
gemengt werde.
	            		
115 Die Verrichtung bedingt blos eine Kenutniss der verschiedenen Glassorten und wird deshalb fast ausschliesslich Personen des-weiblichen Geschlechtes zugewiesen. 2. Das Pulverisiren der Rohmaterialien. Die meisten zur Glasfabrikation verwendeten Rohmaterialien, welche im Handel nur in Klumpen oder Stücken Vorkommen, müssen auf mechanischem Wege verkleinert, d. i. zerrieben oder zerstampft werden. Diejenigen, welche vermöge ihres geringen Härte grades keinen besonderen Kraftaufwand zu ihrer Zertheilung verlangen, wie Thon, Kalk und Holzkohle, werden, wo nicht Pochwerke dazu eingerichtet sind, mittelst hölzerner Stössel verkleinert, beziehungsweise pulverisirt, eine Arbeit, die in der Regel dem weib lichen Geschlechts zufällt. 3. Das Waschen und Reinigen der Gläser. Auf das Schleifen und Schneiden der Gläser folgt das Waschen und Reinigen der selben, d. h. es müssen die geschliffenen oder gravirten Gläser von den ihnen noch an haftenden feinen Sandbestandtheilen und sonstigen Unreinigkeiten befreit werden. Hiezu sind Arbeiterinnen bestimmt, welche die fertigen Gläser zu waschen, abzuspülen, mit Tüchern zu trocknen und zu säubern und hierauf in das Verpackungsmagazin abzuführen haben. Dasselbe gilt bezüglich der sogenannten „angerauchten Glaswaaren,“ namentlich in solchen Fabriken, wo Steinkohlenfeuerung eingeführt ist. 4. Das Poliren der Vergoldung, das Douciren und Belegen. Das Malen und Vergolden der Hohlgläser und auch der Tafeln — in Deutsch- böhmen häufig als Hausarbeit, sonst in eigentlichen Werkstätten betrieben — wird bis jetzt vorwiegend von männlichen Arbeitern besorgt; doch könnten hierbei Mädchen weit mehr als seither Verwendung finden. Meistens besteht noch der Brauch, dass der Maler das Einbrennen seiner Arbeit selbst besorgt; diese Doppelarbeit dürfte wohl zu anstrengend für Mädchen sein und daher auch ihre geringe Verwendung bei dem Malen kommen, obwohl es bei der Mehrzahl der Artikel angeht, dass das Einbrennen der Farben durch dritte Personen besorgt wird. Jetzt ist meist nur das Poliren der Vergoldung den Frauensper sonen zugewiesen. Dies besteht darin, dass von dem aufgelösten, mit einem Fluss mittel versetzten Golde, welches auf dem Glase mittelst Pinsels aufgetragen und dann wie die Farbe beim bemalten Glase in eigenen Brennöfen aufgeschmolzen („eingebrannt“) ist, der bei diesem Processe entstehende matte Ueberzug mittelst des Polirgriffels weggerieben wird. Das Gold erscheint in Folge dessen wieder rein und glänzend. Unsere böhmischen Spiegelfabriken — andere bestehen in Oesterreich nicht — er zeugen vorwiegend kleinere Spiegel und verwenden bei dem weiteren Raffiniren Mädchen und Frauen zum Douciren der Tafeln und zum Belegen de r Spiegel. Ist die Platte rauh und matt geschliffen, so wird sie zunächst fein mattirt („doucirt“), dann polirt; diese Zwischenarbeit wird theilweise von Mädchen besorgt. Ebenso das Belegen der nicht zu grossen Spiegel mit Zinn und Quecksilber. Auf dem Belegtische, einem in einen ringsum mit einer Rinne versehenen Holzrahmen gefassten, vollkommen ebenen Steine — meist Kehlheimerplatten — wird eine entsprechend grosse Staniolplatte (dünnes Zinnblech) aufgelegt, flach gestrichen, mit Quecksilber etwas angeriehen, dann reichlichst damit übergossen und die blank gescheuerte Spiegelplatte darüber geschoben. Nun beschwert man diese mit Bleistücken, wodurch der Ueberschuss von Quecksilber 3*
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.