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Internationale Sammler - Zeitung
Nr. 7
archiv, das Kriegspressequartier, das Kriegsfürsorge- j
amt, das Kriegshilfsbureau, das Heeresmuseum, den 1
Pressedienst des Kriegsministeriums, das Rote Kreuz
handelt. Die „Albertina" macht natürlich als altes,
Fig. 4.
Gobelin, Flandern, um 1650—1700.
feinsinniges Kunstinstitut eine Ausnahme, sie hatte
ja die Wahl unter den Künstlern, ohne die Qual zu
haben, welche die eben genannten Kriegskunstorgani
sationen in der Quantität des unter ihren Bannern
Geschaffenen hatten.
Die „Albertina“ ist möglichst zurückhaltend. Die
Namen von Oskar Lassen, Engelhart, v. Diveky,
Hede v. Trapp sind ihr Um und Auf und kennzeichnen
einen rein künstlerischen Ausstellungswillen. Die höchste
künstlerische Note erreicht die Ausstellung in den
billigen Steinzeichnungen Willy Geigers, der ein
unerhört starkes persönliches Temperament hat und
Symbole trotz des expressionistischen Stils zu hervor
ragend lebensvoller Wirkung bringt. Wenn ich ein
Sammler wäre, ich nähme Willy Geiger in Bausch
und Bogen. Ich nähme auch Alois. Kolb, der unter
der Ägide des XXV. Korps Zeichnungen, Litographien
und Radierungen von reifer, blendender Technik,
monumentaler Ausdrucksgröße und schwungvoller
Formphantasie ausstellt. Ich wählte das spärliche
Gute (in künstlerischer Beziehung wohlgemerkt), das
sich über die Schablone der Wirklichkeitsskizze von
Szenen und Ereignissen des vielgestaltigen Krieges
erhebt und in den Abteilungen der früher genannten
Körperschaften sich findet, ohne zu vergessen, daß der
militärische Sammler in der hier gebotenen Sachlich
keit in einzigartiger Weise auf seine Rechnung kommt.
Diese künstlerischen Informationen zeichnen sich im
einzelnen durch die Impression der Wirklichkeit aus, ihre
Gesamtheit ergibt eine typische Note, die Gemeinsam
keit des dem großen Krieg zukommenden Charakters.
Untör den offiziellen Kriegszeichen, wie sie in der
Hauptsache durch das Kriegshilfsbureau und das
Kriegsfürsorgeamt ausgestellt werden, träfe ich vor
allem unter den Vivatbändern eine Auswahl, weil sie
von Geschmack zeugen, einen guten neutralen oder
farbig kontrastierenden Druck auf weißen, blauen,
roten, gelben oder rosafarbenen Seidenbändern haben
und auch das künstlerische Moment nach Möglichkeit
betonen. Die von Albert Berger geschaffenen Drucke
werden zweifellos ihren heute schon ansehnlichen
Sammlerwert künftig zu steigern wissen. „Das befreite
Galizien“, „Das befreite Siebenbürgen“, das nach
einer schönen Idee des Sektionsrates im Landesver
teidigungsministerium Dr. Emil Edlen v. Horrak von
Düssek entworfene Band für die Gendarmerie*, die
anderen allegorischen Scidendrucke ein
schließlich der Herrscher- und Feldherrn
köpfe haben einen nicht üblen, lyrisch
verklärten heraldischen Zug — gezeich
nete Epen im eindrucksvollen Miniatur
format.
Am liebsten aber wäre es mir, ich
könnte mit der gleichen Sammellust am
Werke sein wie Dr. Mascha, dessen reger
Eifer die zahllosen Kriegsblätter, die in
den Kunsthandel flattern oder nur dem
Aufmerksamen in die Hände kommen,
unermüdlich und methodisch sichtet, keines
der wo auch immer erscheinenden Kriegs
blätter übersieht, prüft, wählt und schließ
lich eine reichhaltige Sammlung bei
sammen hat. Diese ist, hauptsächlich
auf dem Gebiete der Karikatur, aber
auch der seriösen Darstellung, wirklich
ein Zeitenspiegel des Krieges, vornehmlich
in der Verzerrung politischer Grimasse.
Sehr interessant ist, um nur eines aus
der Fülle herauszugreifen, das „neutrale“ Blatt
von van der Hem „Stickgase“, welches ein speziell
unheimliches Ereignis des Krieges mit hypnotisierender
Phantastik zeigt. Man widme auch volle Aufmerk
samkeit dem künstlerisch Besten vom Dresdener
Radierer Emil Richter, zweien Blättern, dessen eines
in wuchtiger Art das geflügelte Wort „Und wenn die
Welt voll Teufel wär“ paraphrasiert, und sehe sich
auf der Rückseite der Vitrine die japanischen, kolo
ristisch sehr wirkungsvollen Holzschnitte zu den zwei
asiatischen Kriegen der jüngsten Gegenwart an. Nicht
nur der künstlerische Ernst dieser japanischen Illu
strationen ist zu bewundern, sondern auch die Art,
wie ein alter technischer flächenhafter Stil sich dem
Raumproblem, der individualistischen Charakterisierung
und damit dem allgemeinen Gärungsprozesse nähert,
den die neue Zeit auf Japan herabbeschwor.
Im Galerieumlauf des ersten Stockwerkes finden wir
Dr. Maschas französische und englische Kriegs- und
Werbeplakatsammlung**, die wohl erst im Frieden
eine reichere Ergänzung wird finden können. Sonderbar
berührt uns die Rührseligkeit und Trivialität, die in
den französischen Erzeugnissen zutage tritt; in dem
Mangel einer künstlerischen Note sind die Engländer
noch größer als die Franzosen, in der bengelhaften
Fassung der Sujets aber dürften die einstigen Welt
beherrscher -— welch ein belustigendes Kuriosum! —
keinerlei Konkurrenz zu fürchten haben. Während
Dr. Mascha seiner Sammeltätigkeit einen w-issenschaft-
lichen Grundzug verleiht, ist Regierungsrat R. v. Hoef-
ken von wühlerischer, feinfühliger Persönlichkeit, die
den Krieg auf der Folie des Exlibris in stilvoller, sym
bolisierender künstlerischer Art spiegelt, eine Sammler
betätigung, die ungemein bestechlich wirkt, weil die
Note dieser Weise knapp, distinguiert und geschlossen
subjektiv ist —■ eine Feinschmeckerprobe.
* Siehe Nr. 6, S. 49 „Ein Prachtband für die öster
reichische Gendarmerie.
** Einen sehr instruktiven Aufsatz über diese Sammlung
aus der Feder des Dr. Mascha selbst hat die „Internationale
Sammler-Zeitung" in Nr. ] und 2 des laufenden Jahrganges
veröffentlicht,