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Uebrigen bleiben Technik und Typen so ziemlich auf demselben Stand. Als charakte-
ristisches Werk für die Goldschmiedekunst des tt. Jahrhunderts wird in erster Linie eine
nichtfranzosische Arbeit, der Altar Kaiser Heinrich II. vorgeführt. Im Stil der Figuren
sieht Havard dieselbe Einwirkung byzantinischer Miniaturmalerei, auf die er bereits bei
Besprechung der Sculptur in seiner uFrance artistique- hingewiesen. Dabei verschließt
er sich aber keineswegs der Thatsache, dass die Architektur des Abendlandes sehr bald
überwiegenden Einfluss erlangte, und schildert in kurzen Zügen wie die mittelalterliche
Goldschmiedekunst durch den Zusammenhang mit dem kirchlichen Bauwesen zwar viel
an Originalität und logischer Entwicklung innerhalb ihrer technischen Eigenart einbüßt,
dafür aber ganz ausserordentlich an Fülle, Bedeutsamkeit und Großheit der Formen ge-
winnt. An der Hand der Werke der Goldschmiedekunst in den Schatzkammern franzü-
sischer Kirchen und Abteien verfolgen wir die Geschichte dieses Kunstzweiges auf reli-
giösem Gebiete bis an das Ende des tz. Jahrh. und erhalten schließlich einen Büchtigen
Einblick in die Schedula des Tlieophilus. - Es folgt nun eine Schilderung der äußeren
Verhältnisse. Die allmähliche Entwicklung gewerblicher Associationen aus frommen
Bruderschaften, die Anfänge von Zunftordnungen, Veränderungen im Goldreichthurn Frank-
reichs infolge der Kreuzzüge, Wechselbeziehungen zwischen der Goldschmiedekunst und
dem Münzwesen u erden in anschaulicher Weise dargestellt und bereiten das Verstindniss
vor für die Zeit der Bluthe, der die französische Goldschmiedekunst, namentlich
die von Paris, in der folgenden Epoche entgegengeht. lm I4. Jahrhundert sehen wir
die Goldschmiede-lnnungen bereits im Besitze von Bannern und Zunftwappen, hervor-
ragende Meister erhalten Ehren und Wurden bei Hofe, die Zunft als solche aber genießt
allerlei Auszeichnungen und Vorrechte bei öffentlichen Festen und Aufzügen. Anmuthig
und fesselnd schildert sodann der Verfasser eine lustige Episode in der Geschichte der
Pariser Goldschmiede, indem er ihren igo Jahre tvahrenden Platz-Streit auf dem Pont
au-Change mit den ebenfalls auf der Brücke etablirten Vogelhandlern erzählt. Nach
weiterer Darlegung der äußeren Verhaltnisse des Gewerbes im Mittelalter, kommt der
Verfasser wieder auf die Besprechung der Kunst selbst zurück, auf die Crucifixe, Kopf-
Arm- und Sarg-Reliquiare des 13. Jahrh. auf die Rehquiare in Form von Kapellen,
Triptychen, Kronen und Gefäßen aller Art. Wir sehen wie sich bei all dem Schafen die
Grenzen der Kunst immer mehr erweitern und schließlich die Phantasie der Goldschmiede
vor keinen Schwierigkeiten der Technik mehr zuruckschruckt. - Vom t4. Jahrh. an lassen
sich Goldschmiede-Namen in fortlaufender Reihe constatiren. Der Juwelier gewinnt
jetzt die Oberhand. Der Einßuß des prunkliebenden Burgund macht sich ebenso geltend
in der luxuriösen Tracht wie in der Fülle glänzenden Geschmeides. Bevor Havard auf
die Kunst der Renaissance übergeht, widmet er dem Email ein das ganze Gebiet dieses
Kunstzweiges, soweit es Frankreich betrifft, umlassendes Capitel. Das 16. Jabrh. wird
selbstverständlich mit der Schilderung des italienischen Einflusses, und dem Hinblick auf
Cellini eingeleitet, sodann folgt die Aufzählung jener zum Theil heute noch vorhandenen
anspielungsreichem Ehrengeschenke, die bei festlichen Gelegenheiten von Stadtgemeinden
und Corporationen regierenden Hauptern überreicht wurden. lm Folgenden werden uns die
prächtigen Schüsseln und Kannen in getriebener Arbeit, die schon ciselirten Gerathe für
i Tisch und Toilette, die Uhren, Nautilusbechcr und Tafelaufsatze, die Hausaltarchen
Leuchter, Processionskreuze und kirchlichen Gefäße in mehr oder minder berühmten
meist wohlbekannten Beispielen vorgeführt. Sodann erfahrt die Kunst des Juweliere in
zwei aufeinanderfolgenden Capiteln eingehende Würdigung. Die herrlichen Geschmeide
der Renaissance, Schnitt und SchliK der Diamanten, die reizenden Entwürfe Woeiriofs,
Hans Collacrts und Daniel Mignots werden beschrieben, und wir gelangen in die Epoche
Ludwig XlIL, der Anna von Oesterreich und Mazarins. Das X8. Jahrhundert mit der be-
rühmten Goldachmiedefamilie der Germain, den reizenden Entwürfen Oppenort's und
Meissonniers etc. ist oft und ausführlich genug geschildert worden, Havard kann sich hier
kürzer fassen. Mit den Hervorbringungen der Gegenwart, den geschmackvollen Arbeiten
von Morel Ladeuil, den prunkvollen Erzeugnissen der Hauser Christoße und Froment-
Meurice, den weltbekannten Leistungen der Bouin-Taburet, Fray, Debain u. s. w.
schließt das vom Beginn bis an sein Ende fesselnde Buch.
Zahlreiche Zinkographien begleiten und ergänzen den Text in ununterbrochener
Folge und außerdem sind vierzig Volltafeln eingefügt. Zehn davon sind farbig. Dies ge-
reicht ihnen jedoch nicht zum Vortheil. Die Chromo-Zinkographie, von den Pariser-Ver-
legern in den letzten Jahren so sehr begünstigt, ist nach diesen neuesten Proben noch
immer nicht geeignet, ein richtiges oder mindestens in den Tonen harmonisch abgestuftes
Bild des Originales zu geben, und es muss überraschen, daß das Haus Quantin sich mit
so unzulanglichen Reproductionen zufrieden gibt. F.in empfindlicher Mangel ist endlich
das gänzliche Fehlen brauchbarer Register, wodurch das Nachschlagen in diesem umfang-
reichen Buche einfach unmoglich gemacht ist. Fa.
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