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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 7)

deutendsten Ketzerasyle galt. So war in Nürnberg der Geist des Wider- 
spruches gegen die Kirche nichts Unerhörtes, der sich bald stärker geltend 
machte. 
Wenn auch im Schutt: der Zeit halb vermodert, gab es hier allent- 
halben Keime genug, die nur eines erwärmenden Lichtes bedurften, um 
zu frischem Leben zu erwachen. Bald erscholl das Lob der wWittenber- 
gischen Nachtigalla von dem Dichter-Schuster Hans Sachs, bis Nürn- 
berg, durch Stoß und Gegenstoß, nächst Wittenberg und Straßburg die 
lutherischste Stadt wurde. 
Von jenem mächtigen Walten und Werden hören wir in M.s Er- 
innerungen an seine schwere Nürnberger Zeit kaum das leiseste Echo, 
in der er, wie damals so mancher später große Mann, vor den 
Thüren singen ging. Aber dann wurden die meisten seiner Werke hier 
gedruckt; das germanische Museum bewahrt einen handschriftlichen Band 
von ihnen. 
Von den Nlirnbergern wurde unter den benachbarten Hochschulen 
namentlich Ingolstadt fleißig besucht. Auch M. wandte sich nach dem 
landschaftlich und geschichtlich reizlosen, aber leidlich billigen Orte. 
Zwar war die Hochschule nach dem Wunsche ihres auch geistig reichen 
Stifters, Ludwig des Reichen, in dem ersten halben Jahrhundert ihres 
Daseins eine Pflegerin des Humanismus geworden; dann aber, gerade 
damals, die hervorragendste Vorkämpferin des Katholicismus, der Gegen- 
pol Wittenbergs. 
Bei seinen kärglichen Verhältnissen musste es M. willkommen sein, 
möglichst bald eine Anstellung zu erhalten. In einer solchen finden wir 
ihn in München bei einem Herrn am herzoglichen Hofe, als Instructor 
oder als Bibliothekar. Hier scheint ihn der Hofnarr zuerst auf Luther 
aufmerksam gemacht zu haben. Unter der Schellenkappe war das am 
ehesten möglich. Die bayerischen Herzöge hatten in Worms von Luther's 
Auftreten - nhier steh' ich, ich kann nicht andersu - einen so üblen 
Eindruck empfangen, dass sie seine Lehre von ihren Grenzen mit aller 
Strenge fernhielten. 
Wie Luther in der Patrizierfrau Cotta, fand Mathesius eine Gön- 
nerin in Sabine Auer auf Odelzhausen, deren Kinder er unterwies. Auf 
dem stattlichen Schlosse an der Glon (längs der Hauptstraße von München 
nach Augsburg) saßen die Edlen von Auer, angeblich aus Tirol einge- 
wandert. Schon Mancher von Ihnen wird bei Meran, am Eingang in's 
Spronser Thal sich an der malerischen Ruine Auer erfreut haben, dieser 
zu den ältesten Schlössern Tirols gehörenden Altväterburg. Odelzhausen 
bedeutet einen Markstein in Mathesius' Geschichte; schmerzlich wird er 
hier durch Zweifel und durch Sätze radicalerer oder consequenterer An- 
hänger der Reformpartei bewegt, freudig ergreift ihn eine Schrift Luther's. 
So nah' bei Augsburg, in gereifterem Alter, mit suchender Seele, 
musste er von der Deutschland durchbrausenden Windsbraut erfasst werden. 
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