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heitssinn begabten Bevölkerung nicht blos das Ziel vergnügungssüchtiger
Reisenden, sondern durch ihre Akademie auch die Sehnsucht einer
ganzen strebsamen Künstlergeneration wurde. Wenn sich heute die
Kunstanschauungen geändert haben und die ganze ästhetische Auffassung
jener Tage eines Winckelmann und Klopstock von den Modernen abge-
lehnt wird, so darf dies doch nicht das Urtheil des Historikers zur Un-
gerechtigkeit bestimmen. Es war doch ein großer Zug in dem künst-
lerischen Streben jener Jahrzehnte, aber Winckelmann selbst, der Pfad-
finder der antiken Kunstgeschichte, wurde durch überschwängliche Be-
gcisterung in falsche Bahnen gelenkt und zu einer Auffassung der
Antike als einer Kunst voll süßlicher Lieblichkeit, Ruhe und Weichheit
geführt. Alle Welt jubelte ihm damals zu und die nächste Folge war,
dass die Künstler, welche zu Winckelmann's Fahne schwuren, die
gleichen Vorzüge und Mängel einer Mischung von Idealismus und
Manirirtheit zur Schau tragen. Der Führer der ganzen Wiener Künstler-
schaar war Decennien lang der Maler Heinrich Füger, hier in milderen
Formen dieselbe akademische Tyrannis übend, wie David in Paris.
Auch die Schabkünstler, welche aus der Schule Jacobefs hervor-
gingen, mussten sich schon als reproducirende Künstler der Richtung
Füger's einordnen. Aus} ihrer stattlichen Zahl ragen besonders drei
hervor.
Der erste, der Bozener Joh. P. Pichler, vertauschte nach miss-
glücktem Debut in der Malerei den Pinsel mit dem Schabeisen und bald
wurden seine Blätter denen seines Lehrers vorgezogen. Anfang der
Neunziger Jahre wurde er vom Fürsten von Anhalt-Dessau berufen, für
die neuerrichtete chalkographische Gesellschaft mehrere Platten nach
berühmten Gemälden der Galerien in Braunschweig, Cassel und Dresden
zu liefern. Nach mehrjährigem Aufenthalte in Dessau kehrte er nach
Wien zurück, bekam nach dem Tode seines Schwiegervaters Jacobe
1797 die provisorische Leitung von dessen Schule, erlebte aber die Er-
nennung zum definitiven Professor nicht. Er war wohl Pensionär des
kais. Hofes und des Fürsten Liechtenstein und verdiente durch seine
Arbeiten viel Geld, das er aber nicht festzuhalten wusste, so dass Frau
und Kind in Armuth zurückblieben. Von seinen etwa 100 Blättern ent-
fällt die Hälfte auf zumeist treffliche Porträts (Fürst Kaunitz [x98] und
Prinz Joh. v. Liechtenstein [x99] von unendlicher Feinheit), 17 Blätter
bringen altes und neues Testament, 26 Blätter Mythologie und antike
Geschichte. Etwa 12 große historische Blätter nach Füger sind heute
wegen ihrer prononcirten, antikisirenden Richtung im Sinne David's
unbeliebt, wogegen einige Blätter nach alten Meistern, wie: nDer Triumph
der Omphalea, nach A. Turchi (zu), "Die Söhne Rubensht (205) und
zwei reizende Blumenstücke nach Huysum (212 und 213), aus seinem
Todesjahre 1806 stammend, zu den geschätztesten Schabkunstblättern
überhaupt zählen.