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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 11)

zösischen Colonien auf dem Gebiete des Buchgewerbes beitragen, be- 
stimmt. Da auch hier die organisirende Hand fehlte, gewahrt man an 
Wänden und in Schränken industrielle Colonialproducte verschiedenster 
Art, von denen die meisten mit dem Buchgewerbe nicht die leisesten 
Berührungspunkte haben, es sei denn, dass bei vielen von ihnen das 
Papier einen hervorragenden Bestandtheil bildet, wie bei dem kolossalen 
Drachen, der das Hauptstück der indo-chinesischen Abtheilung ausmacht. 
Jede größere Ausstellung hat ihre todten Punkte, Gruppen, die sich 
im Programm und im Kataloge recht gut ausnehmen, in Wirklichkeit 
aber die Aufmerksamkeit nicht zu fesseln vermögen und vom Publicum 
wie auf Verabredung gemieden werden. Solche Räume, in denen sich 
unwillkürlich der Schritt des Besuchers beschleunigt, gibt es auf der 
Exposition du Livre ungewöhnlich viele. Zu ihnen zählt der Saal der 
Societe d'Encouragement au Travailleurs, hieher gehören drei große 
Räume, die mit Briefmarkensammlungen angefüllt sind, einige andere, in 
denen verschiedene Vereine ausgestellt haben und mehrere, in welchen 
die Entwicklung der Volksschule in höchst merkwürdiger Weise vorge- 
führt wird. Hier sieht man nämlich in entsprechend ausgestatteten Cabi- 
neten costumirte Puppen, Lehrer und Schüler darstellend, wie sie zu ver- 
schiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern nach der Meinung der 
Arrangeure ausgesehen haben. So die Schule unter Karl dem Großen, 
eine Nonnenschule, eine Schule in Algier, eine bei den Hindus, die 
moderne europäische Schule etc., - etwa zwanzig verschiedene Gruppen. 
Obwohl nun die Exposition du Livre, wie man sieht, stellenweise auf ein 
Niveau herabsinkt, dem man an solchem Orte entrückt zu sein erwartet, 
brachte es doch schon die Qualität der Aussteller mit sich, dass in anderen 
Abtheilungen des Bedeutenden und Interessanten mehr zu sehen ist, als 
sich selbst bei wiederholtem Rundgang geistig verarbeiten lässt, zumal 
}eder Besucher gezwungen ist, sich ohne Katalog zurechtzufinden. Vor 
Allem sind es die sechs Säle der retrospectiven Ausstellung, wo ein höchst 
werthvolles und reiches Material mit ebeusovielUmsicht als Sachkenntniss 
und Geschmack angeordnet worden ist. Der bekannte Culturhistoriker 
und Sammler John Grand-Carterret ist der Chef dieser Abtheilung. 
Er mit seinem Stabe, dem berühmten Buchbinder und Sammler Gruel, 
dem Bibliophilen Praingault, dem Paleographen Charavay u. A. haben 
hier ein glänzendes Ensemble von cultur- und kunsthistorischen Docu- 
menten auf dem Gebiete der Bucherzeugung und des Druckes aufgestellt. 
Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Ausstellung an geistigem Gehalt 
und wissenschaftlichem Werth alles Andere überwiegt, was der Industrie- 
palast gegenwärtig sonst noch birgt. Der erste Saal zeigt in auserlesenen 
Beispielen den Entwicklungsgang des Bucheinbandes vom 15. Jahrhundert 
bis zur Gegenwart. Es geht nicht an, hier alle die wundervollen Buch- 
einbände von Grolier, Maioli, Geoffroy Tory, die vorzüglichen Venetianer- 
Bände von Aldus Mauutius, ferner die reizenden Arbeiten des 17. Jahr-
	        
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