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dem allgemeinen Künstlerlaufe entsprechend, mit christlichem Inhalte verbunden. ln
den dargestellten Personen sind Portrütszüge und typische Bilder zu unterscheiden.
Die Ansicht, dass es Christus- und Madonnenporträts gegeben habe, darf gegenwärtig
nicht mehr als bloße Legende behandelt werden, die Gesichtszüge der Apostelfürsten
Petrus und Paulus lassen sich schon feststellen. ln einem vergleichenden Excurse wies der
Vortragende auf beabsichtigte oder zufallige Aehnlichkeiten der altchristlicben Malerei
und der Renaissancekunst hin. Bei den biblischen und symbolischen Bildern wurden nebst
den Wunderthaten Christi besonders die Scenen: aDominus legem den und die Ent-
stehung und Bedeutung des Nimbus ausgeführt; als Beispiel der Arcansymbolik und
ihres Beweismatcriiiles diente der IXOYZ und im Anschlusse daran die altchristliche
disputa del sacramento in S. Callisto. Zur allgemeinen Charakteristik des lnhaltes der
Katakombenbilder ist gegen Grillparzefs düstere Schilderung der kahlen Gange von
S. Sebästiano zu bemerken, dass den Gruniiton dieser Bilder eine freudige Zuversicht
und gläubige Hoffnung bilden. Die Leiden der Verfolgung werden ganz von der Dar-
stellung ausgeschlossen und offene Kreuzigungsbilder kommen erst vom 5. Jahrh. an vor.
Die altchristliche Sculptur theilt im Allgemeinen mit der Malerei den lnhalt. lhre
thatsächlich mindere Begünstigung hat aber nicht in einem dogmatisch innerlichen
Gegensatze des Christenthumes zur Sculptur, wie Lüblte vermuthet, sondern in außer-
lich beschränkenden Verhältnissen ihre Erklärung. Besonderen Werth bietet die Sculptur
der Katakomben nebst einigen trelflichen Originalien für die Frage der Marmorpoly-
chromie, welche sie im beiahenden Sinne entscheidet und wobei sie zugleich, wie der
Vortragende an einigen seiner Funde aus S. Priszilla zeigte, die thatsachliche Farblosig-
lteit späterer Marmorfunde erkläre. Für die kirchliche Kleinkunst und das Verständniss
ihrer Formen ist die Kenntniss des frühchristlichen Kirchengeräthes von grundlegender
Bedeutung. Diese Formen waren das Problem, welche das Mittelalter zur Weiterbildung
übernahm. Die Aesthetik der liturgischen Kunst kann auf die Kenntniss des Formen-
principes nicht verzichten. Der merkwürdige Doppelsinn des Wortes i-Principu bedeute
hier mit Recht nAnfang der Erkenntnissn und zugleich wl-Irkenntniss des Anfangsu.
Schließlich gedachte der Vortragende des auf den 23. Februar d. J. fallenden
70. Geburtstages J. B. de Rossfs, tles genialen Wiederentdeckers der Katakomben und Be-
gründers der christlichen Archäologie. Scbliemann's praktische Erfolge mit dem Wissen eines
Montfaucon und Mabillon verbindend, habe er durch eine rein sachliche, glänzend gerecht-
fertigte Methode seine überraschenden Resultate erzielt. Auf weiten Studienreisen sammelte
de Rossi sein reiches Material aus Pilgerbüchern, ltinerarien und den Martyreracten.
Seine Verdienste um die fast unentwirrbare Topographie der Roma sotteranea sind einzig
und unerreicht. rAm Schreibtische entdeckte er die Katakomben: und was mehr ist, er
gab ihnen den richtigen Namen. Auch die classische Schwesterwissenschaft verdankt ihm,
besonders in der Epigraphik, wesentliche Forderung. Bis in unsere Tage beweisen immer
neue, vielfach überraschende Funde die Treue der Geistesschirfe und des Glückes. Die
hervorragendsten wissenschaftlichen Institute der Welt zahlen ihn zu ihrem Mitgliede und
überall wird sein Fest mit Interesse und unbedingter begeisteter Theilnahme begangen.
Moge dieser Ehrentag moderner Wissenschaft und eines ihrer genialsten Pionniere auch
für die altchriatlichen Monumente Ocsterreichs begeistertes Interesse wecken.
Die Siilona christiana tritt bereits in die Fußstapfen der Roma sotteranca, aber auch
Aquileja, Pola, Grade, die Wege des Christenthums über Syrmium, Lauriacum, Juvavum,
bergen zahlreiche und wichtige Reliquien aus frühchristlicher Periode. Die phänomenalen
handschriftlichen, textilen und monumentalen Schätze Wiena lassen die Bearbeitung und
Erhaltung desselben als eine Ehrenpiliclit Oesterreichs erscheinen.
Litteratur-Bericht.
Histoire du luminaire depuis Yepoque romaine jusqu'au XIX" siecle.
Ouvrage contenant 500 gravures dans le texte et 80 grandes planches
hors texte imprimees en deux teintes. lllustrations de M. Emile Solvet
avec le concours de MM. Berteault et Vaucanu par Henry-Rene
(l'Allemagne, Archiviste-Paleographe. Paris, Alph. Picard, 189i.
4". VI, 702 S. fr. 40.
Das Unternehmen, eine Geschichte der Beleuchtungsgegenstände zu schreiben, hat
ohne Zweifel etwns Ueberrnschendes, denn ein Material wie dieses fügt sich kaum ohne
Anwendung von Gewsltmitteln einer zusammenfassenden Behandlung, und man ist begierig
zu erfahren, wie sich der Autor seiner schwierigen Aufgabe entledigt hat. D'Allemagne glie-