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gehend berichtet, wodurch der Antheil Semper's an den genannten Mo-
numentalbauten gebührend gewürdigt worden ist. Weder Berlin noch
München können sich rühmen, ein Bauwerk zu besitzen, das den Stempel
Semper'scher Erfindung an sich trägt, oder ernsthafte Schritte gemacht
zu haben, G. Semper eine würdige Stellung zu verschaffen. Man hat sich
in Oesterreich über politische Bedenklichkeiten früher hinausgesetzt, als
es in den Metropolen der Wissenschaft und der Kunst im deutschen
Reiche der Fall war. Nach Wien war es Dresden, das sich des berühmten
Architekten, Gelehrten und Lehrers annahm. Semper trat im verliossenen
Jahre von seiner Bauthätigkeit in Wien zurück und lebte seitdem grössten-
theils in Italien, während des letzten Winters in Florenz und Rom. So
bedeutend Semper als Künstler und Gelehrter war, so eigenthümlich war
sein Charakter und sein Leben. Er liebte es einsam und fern von seiner
Familie im Auslande zu leben und selbst seine Angehörigen erhielten nur
von Zeit zu Zeit genauere Mittheilungen über seinen Aufenthalt. Das her-
vorragendste Werk Semper's: vDer Stil in den technischen und
tektonischen Künsten oder praktische AESIhCIiku, 1860 in
München erschienen, ein epochemachendes Werk im eigentlichen Sinne
des Wortes, ist leider ein Torso geblieben, doch geben wir uns der
Hoffnung hin, dass sich das Manuscript für den 3. Band wenigstens theil-
weise in Semper's Nachlass vorfinden werde. Aus der Zeit seines Lon-
doner Aufenthaltes besitzt das Oesterr. Museum ein Manuscript Semper's
vom Jahre 1852 betitelt: "Ideales Museum für Metallotechniku,
welches zur Zeit der Gründung des Kensington-Museums geschrieben
wurde, zu welcher Semper durch seine im Auftrage des Prinzen Albert
verfasste Schrift nWissenschaft, Industrie, Kunstu geradezu den Anstoss
gegeben hat. Eine geistvolle Biographie Semper's findet sich im 2. Bande
von Friedrich Pecht's wDeutsche Künstler des 19. Jahrhundertsu. Unter den
Schriften Semper's sind folgende zu bemerken: wUeber den Bau evange-
lischer Kirchen. Mit besonderer Beziehung auf die gegenwärtige Frage
über die Art des Neubaues der Nicolaikirche in Hamburg und auf ein
dafür entworfenes Projectß, Leipzig 1845; "Vorläufige Bemerkungen über
bemalte Architektur und Plastik bei den Alten", Altona 1834; ßDas könig-
liche Hoftheater in Dresden", Dresden 1849; "Die vier Elemente der Bau-
kunst. Ein Beitrag zur vergleichenden Baukundeu, Braunschweig 1851;
ßWissenschaft, Industrie und Kunst. Vorschläge zur Anregung nationalen
Kunstgefühls-w, London 1851; nUeber die formelle Gesetzmässigkeit des
Schmuckes und dessen Bedeutung als Kunstsymbolu, Zürich 1856; nDie
Anwendung der Farben in der Architektur und Plastik", Dresden 1836;
vUeber Polychromie und ihren Ursprung", Brunswick 1851; nUeber die
bleiernen Schleudergeschosse der Alten und über zweckmässige Gestaltung
der Wurfkörper irn Allgemeinen", Frankfurt a. M. 1857.
Eine Tochter Semper's ist mit Hofrath Professor Dr. Sickel in Wien
verheiratet, ein jüngerer Sohn, Dr. Hans Semper, wirkt als Docent für