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fullscreen: Monatszeitschrift XXII (1919 / Heft 3, 4 und 5)

Klimts Zeichnungen sind eine Welt für sich. Unermüdlich im Schauen, in der 
Beobachtung des nackten weiblichen Körpers, immer suchend, den Ausdruck des Sinnen- 
lebens im Umriß, in der Bewegung festzuhalten, war der Künstler auch unerschöpflich 
darin, das Gefundene mit feinem, flüssigem Bleistiftstrich suggestiv zu gestalten, mit 
subtilem und bizarrem Linienreiz auszustatten. Sinnliche Erregung und hochgespanntes 
Formgefühl, subjektive Reizzustände und Besonderheiten in den Neigungen, auch Ab- 
irrungen und Überreizungen sind darin unbekümmert darum ausgedrückt, ob sie jemals 
ein fremdes Auge erblicken würde. So wurden sie zu einem Spiegel seiner Seele. 
Die Bilder des Nachlasses boten Fertiges und Unvollendetes. Neben wirkungsvollen 
Bildnissen hingen Landschaften und eigenartige Übersetzungen der Natur. Das Neben- 
einander und Ineinanderklingen farbiger Flächen zu einem bunten Mosaik oder einem 
schillernden Teppich ist zumeist das Ziel. Während Klimt aber früher die zartesten und 
feinsten, die subtilsten und vornehmsten Werte zu suchen liebte, ist seine spätere Art 
viel kräftiger, breiter und bunter und sogar auch härter. Besonders in den unvollendeten 
Bildern tritt das bunte Nebeneinander ungebrochener Farbenüecken noch unausgeglichen 
hervor. Ein Kinderporträt zeigte dieses Spiel besonders lebhaft, es bot ein Meer von bunten 
Stoffxnustern, die kühn nebeneinandergesetzt waren und noch nichts von jener Abge- 
stirnmtheit aufwiesen, die Klimts fertige Werke auszuzeichnen pflegte. Man sah hier den 
langen Weg von der Vorarbeit zur Vollendung voraus und konnte ahnen, welche Summe 
künstlerischer Arbeit zu vollbringen war, bis der Künstler sein Werk aus der Hand gab. 
In dieser Selbstzucht und Durchbildung lag ein großer Teil seiner Lebensarbeit. 
Der Nachlaß bot Fernerstehenden auch hierin Einblick und ließ begreifen, wie die 
Vollkommenheit und Reife der besten Werke des Künstlers durch konzentriertes Schaffen 
und strengste Selbstkritik erreicht wurde, wie hier Genie und Arbeit sich ergänzten. 
Nicht nur die rastlosen Niederschriften mit dem Stift, auch die unermüdlichen 
Farbenexperimente geben Zeugen hiefür ab. 
SEZESSION. JOSEF ENGELHART. Mit dem kleinen Bild von der „Burg- 
musik", das einst dem Namen Engelharts im Künstlerhaus zum erstenmal Resonanz 
verlieh, war eine kecke Note angeschlagen. Sie klingt noch heute, wenn der Name Engel- 
hart genannt wird, so sehr der Künstler über das begrenzte und doch so populäre 
Urwienertum hinauszuwachsen strebte. Das Menschliche und Allzumenschliche, das im 
Künstler den Ballast bedeutet, kann ihm auch zum Verhängnis werden. Engelhart hat 
seinen Zusammenhang mit dem Wiener Leben nie verloren, wenn er auch die Welt 
bereiste und im Süden sonnige Bilder malte. Er hat der Enge jener Welt nicht mehr ent- 
rinnen können, wenn er auch die Wiener Sitten in großem Format, mit fast lebensgroßen 
Figuren bildhaft festzuhalten suchte. 
Die starke Woge der Gründung jener zukunftsfrohen Sezession, die eine Zeitkunst 
erstrebte, riß auch ihn mit sich und führte seine Begabung zu mannigfaltigen frischen 
Äußerungen. Sie dehnten sich auch ins Gebiet der Plastik aus; Innenkunst im eigenen 
Heim, Wandmalerei sogar und Grabmalkunst, vor keiner Aufgabe hat der Künstler sich 
zurückgezogen, die ihm die günstigen Lebensverhältnisse brachten, in denen ihn das 
Schicksal aufwachsen ließ. Darum ist auch der Inhalt jener vielen Räume so mannigfaltig, 
die er mit seinem Lebenswerk gefüllt hat. Dabei sucht man aber doch vergeblich nach 
der eindrucksvollen Äußerung einer geschlossenen persönlichen Eigenart, außerhalb jenen 
wienerischen Sittenschilderungen, in denen sich Aufgabe und Persönlichkeit restlos ver- 
binden. Temperament, Können, Erzählungskunst, Naturbeobachtung sind ja in allen diesen 
inhaltsreichen Arbeiten aus Spanien und vom Kriegsschauplatz; in den Studien aus der 
Schauspielerwelt und aus seiner nächsten Umgebung; in den Wachsplastiken und kunst- 
gewerblichen Schaustücken. Eine persönliche starke Wesensart, die uns in den Bann 
der eigenen Welt zu zwingen vermag, spricht nicht zu uns. Der lebensfrohe, heiter 
spöttische, melancholisch bittersüße Wiener, an dessen Werk wir hier seine Eindrücke
	        
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