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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 4)

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vorragenden Künstler, welcher die Art des fünfzehnten Jahrhunderts 
abschließt, war ein allzufrühes Ziel des Lebens gesetzt. Für ihn wurde 
der Chor in Santa Maria Novella in Florenz, was die Brancacci-Capelle 
für Masaccio gewesen, die Stätte seiner vollendetsten Kunst, die Stätte 
seines Ruhmes und seiner Größe. Hier auf diesen Wänden erging sich 
sein Pinsel in biblischen Bildern mit wahrer Freudigkeit, mit reicher 
Phantasie, mit tiefem Schönheitsgeftihl und mit jeglicher Vollendung der 
Technik, wie sie die zu ihrer Höhe herangestiegene Kunst darbot. Am 
liebsten hätte er, wie er sagte, die Mauern von Florenz ringsum mit 
Historien bemalt. Welche prachtvollen, edlen und vornehmen Gestalten 
diese Frauen, Damen der großen Welt, welche bei der Geburt Mariens 
zu Besuch erscheinen! Welche Größe, welche Würde und Kraft in seinen 
Männern und ihrer breiten, reichen Gewandung! Welcher Glanz, welcher 
Reichthum in jener Wochenstube, einem Gemache des schönsten Flo- 
rentiner Palastes würdig! Obwohl die Gegenstände noch alle kirchlich, 
gehört doch alles, Architektur und Landschaft und Menschen und Dinge, 
dieser blühenden, an allen Reizen des Geistes und des Auges, an jeder 
Schönheit Freude emplindenden Epoche der italienischen Cultur an. 
ln Ghirlandajo liegt bereits ein Zug von michelangelesker Größe, 
und nicht umsonst wird er der Lehrer BuonarottVs genannt. Ebenso aber 
auch kann man Ghirlandajo in Rafael wiederfinden, wenn auch dieser, 
alle vorausgegangene Kunst zusammenfassende Meister derselben ein 
neues, das ideale Moment hinznfügte und damit zugleich der Erweiterer 
und der Vollender der ganzen Kunstbewegung dieser großen Epoche wurde. 
Zwei Dinge waren es, die zu dieser Zeit umgestaltend auf die 
Kunst einwirkten und mit dieser Wirkung auch die Malerei in der 
Kirche in entscheidender Weise trafen. Das eine war die Oelmalerei, 
das andere das Wiederaufleben des classischen Altertbums. 
Die Oelmalerei, welche in diesem Stadium der Entwickelung auch 
in Italien in allgemeine Anwendung kam, hatte nicht blos die Folge, 
dass das Detail feiner ausgeführt, das Colorit tiefer, satter und glän- 
zender wurde, sondern auch diejenige, dass das Staffelei- oder Tafel- 
gemälde vor der Wandmalerei den Vorzug erhielt. Und nicht genug an 
dem, wurde auch das Wand- oder Frescogemälde, statt der großen 
zusammenhängenden Cyklen, welche bisher alle Flächen bedeckten, mehr 
zum Einzelbilde, wovon z. B. RafaePs Sibyllen ein schönes Beispiel geben. 
Von größerer Bedeutung aber für unseren Gegenstand, die Malerei 
in der Kirche, war der zweite Umstand, die Wiedererweckung des clas- 
sischen Alterthurns in Kunst, Wissenschaft, Literatur, in Leben, Denken 
und Empfinden. Da die gebildeten Menschen dieser Zeit bis zu den 
höchsten Stufen selbst der geistlichen Throne hinauf sozusagen Heiden 
wurden, so konnte dieses heidnische Element auch der Kunst nicht fern 
bleiben, ja mit der Allgemeinheit "und Mächtigkeit, mit der es auftrat, 
musste es die ganze Kunst umschalfen. Am Studium der Alten hatten
	        
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