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Geiste und strebsamen Eifer hat die elsässische Baumwollindustrie vorzugsweise ihren
Aufschwung in den letzten vier Jahrzehnten zu danken. Allerdings betreffen seine Hauptt-
verdienste und Errungenschaften die Fabrication der Nabgarne, die mit der Kunstindustrie
nicht unmittelbar zusammenhängt. Aber auch die Kattundruckerei fand von seiner Seite
eifrige Ptlege, und da einerseits dieser Zweig der textilen Kunstindustrie auch bei uns
in Oesterreich namhafte Vertreter zahlt, andererseits die elsassische Production in Bezug
auf die ornamentale Ausstattung zwischen Frankreich und Deutschland-Oesterreich mitten
inne steht, wird man auch in unseren kunstindustriellen Kreisen die vorliegende Bio-
graphie, der die ausgesprochene politische Protestler-Tendeuz übrigens keinen wesent-
lichen Eintrag thut, mit Nutzen lesen. Rgl.
a!
Der Anonimo Morelliano. I. Abtheilung. Text und Uebersetzung von
Dr. Theodor Frimmel. (Quellenschriften für Kunstgeschichte und
Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit, begründet von Rudolf
v. Eitelberg er, fortgesetzt von Albert llg. Neue Folge, l. Band.)
Wien, C. Graeser, 1888. XXIX, 126 S. 8".
Vor nunmehr fast zwei Jahrzehnten begann Eitelberger die Herausgabe der Quellen-
schriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance.
Es war dies eine jener Anregungen, wie er sie jüngeren strebsamen Kräften zu geben
wusste, in der Erkenntniss, dass die Schriften der Zeitgenossen eine geradezu uner-
lassliche Ergänzung unserer Kenntniss der alten Kunstdenkmale bilden, uns belehrend
über die Lebensgeschichte einzelner Künstler, ihre Handfertiglteit und Tüchtigkeit in
Verarbeitung des StoGes, über ihre eigene künstlerische Auffassung, sowie über die all-
gemeinen ästhetischen Anschauungen jener langstvergangenen Tage. Und in der Ueber-
zeugung, dass auch der ausübende Künstler von heutzutage bievon Kunde haben und
sich nicht blos auf die Anlernung der gerade modischen Kunstweise beschränken solle,
ließ Eitelberger durch seine Mitarbeiter jene alten Classiker der Kunstgeschichte nicht
blos in den Originalsprachen veröffentlichen, sondern er sorgte für deren Uebersetzung
und ausführliche Erläuterung.
So waren bis zum Ableben Eitelberger's mit Unterstützung des Ministeriums für
Cultus und Unterricht achtzehn Bände der Quellenschriften im Verlage von Braumuller
erschienen. Waren auch die Arbeiten in dieser Folge ungleichmäßig, so ist doch ein-
zelnen der Bande bleibender Werth in der Kunstliteratur verbürgt und mit Bedauern
wurde die Stockung der Publication wahrgenommen. Nun werden die Quellenschriften
in neuer Folge wieder mit Unterstützung des k. lt. Unterrichtsministeriums unter der Re-
daction von Dr. A. llg im Verlage von C. Grseser fortgesetzt und in die neue Reihe
wird auch die Periode des Barocco und der Neuzeit einbezogen.
Als erstes Bandchen derselben erschien der Annnimo Morelliano oder. wie es
bisher allgemein in der Literatur hieß, des Anonimus Morelli Notizia d'upere di disegno,
ein für die Kunstgeschichte außerordentlich schatzbares Inventar der Kunstwerke "in
Malerei und Plastik aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einzelnen Stadten
Oberitaliens. Trotzdem Gustav Frizzoni erst im Jahre 1884 eine neue Ausgabe ver-
anstaltete, weil der Originaldruck Morelli's vom Jahre 1800 bereits langst vergriffen ist,
begrüßen wir gerne die vorliegende Ausgabe von Dr. Theod. Frimmel, dessen Einleitung
uns auf 29 Seiten mit allem bezüglich des Anonimus Bekannten und Wissenswerthen
vollständig vertraut macht, uns auf Grundlage der Mittheilungen von Francesconi und
Bernasconi mit größter Wahrscheinlichkeit den Marc Antonio Michiel als den Verfasser
dieses Kunstinventars bezeichnet und sich über die Grundsätze ausspricht, von welchen
er bei dem Neudruclte und bei der Uebersetzung geleitet wurde. Diese Grundsätze sind
jene. welche in Palaographie und Diplomatik als die richtigen anerkannt sind und
Dr. Frimmel hat dieselben bei der Revision und Drucklegung des Textes in dankens-
werther Weise festgehalten, so dass in dieser Beziehung seine Arbeit sich als eine
wesentliche Verbesserung der beiden älteren Ausgaben darstellt. Ebenso unbedingtes Lob
aber können wir nicht der dem Originaltexte gegenüber gestellten Uebersetzung zollen.
An manchen Stellen ist dieselbe etwas zu frei, in vielen Fällen "wieder gar zu wörtlich,
Die Schwierigkeit der Uebersetzung manchen Wortes soll nicht unterschätzt werden,
aber z. B. FrimmePs nChorschranlten- für nparcor können unmüglich zutrelfen, da
wir uns ein Altarbild nicht nuntethalb- solcher Chorschranken vorstellen können.
Würde der volksthümliche Gebrauch von nparcon für das schriftsprnchige lPalCcl nicht
eher die richtige Begriffsbestimmung nahe gelegt haben? -- Verschiedene Flüchtig-
keiten fallen nicht gerade sehr in's Gewicht, aber solche wie auf Seite 1.3, 5 E. und
ehendaselbst Zeile 14 verunstalten das Buch und müssen in dem versprochenen Com-
mentar verbessert werden. Frimmel führt mehrere Gründe für die spätere Veroßent-
lichung dieses Commentars an, uns ware gleichwohl das Erscheinen dieser Arbeit