namentstil trat an dessen Stelle. Das immer dünner gewordene Bau-
gerüste der Decoration verliert in sich seinen Halt, die Ornamentranken
überwuchern parasitisch, und erreichen für sich eine glänzende Fülle,
eine geradezu überreizte Triebkraft. Wie strotzt da noch alles von Er-
findung! Um 63 nach Christus wurde Pompeji von einem Erdbeben arg
mitgenommen; nachher gab es viel bauliche Herstellungen, gründliche
Reparaturen und sicherlich auch neue. brillante Decorationen des letzten
Stils. Der Ornamentstil war die Sterbetoilette Pompejfs. Die Eruption
des Vesuvs von 79 n. Chr. deckte die farbenheitere Stadt mit ihrem
Aschenregen zu.
Zuletzt erübrigt uns noch die Betrachtung eines eigenartigen,
höchst bedeutsamen Schmucks dieser Stätte. Es sind dies zwei Ton-
nengewölbe von mäßiger Spannweite mit einer herrlichen Stucco-
decoration, die in namhaften Fragmenten vorgefunden wurde.
Wie ich schon früher erwähnte, schreibt A. Mau jene gewölbten
Decken den Cabineten z und 4 zu. Mir ist eine solche Disposition nicht
recht verständlich. Schon die Haltung der Wanddecoration widerspricht
dieser Annahme. Man' sollte glauben, dass da in den oberen Theilen
der Wand scheinbar stützende oder tragende Formen auf eine derartige
Gewölbdecke hinaufweisen müssten; und gerade hier finden wir nach
aufwärts erleichterte Motive über den tiefer unten, mit solideren Gesimsen
abschließenden Wänden - eine Anordnung, die dem Ausdruck der Be-
lastung, der Tragfähigkeit (wenn auch nur im formal-symbolischen Sinn)
keineswegs entspricht. Die decorative Haltung des Kryptoporticus (Nr. t)
mit seinen bis zum obersten Gesims hinanreichenden Säulen würde eher
eine Gewölbdecke motiviren, und wahrscheinlich war er auch überwölbt,
gleich den Kryptoportiken der Cäsarenpaläste auf dem Palatin. Vielleicht
gehörten die fraglichen Tonnengewölbe einem - etwa in der Mitte ge-
theilten - Verbindungsgang an. der die Communication zweier Haupt-
räume vermittelt haben mag.
Die Publication der Stnccoreliefs jener Tonnen, welche ein freudiges
Erstaunen aller Kundigen erregten, als die Erde sie herausgab, verdanken
wir dem unverdrossenen Eifer des damals auf seiner Studienfahrt durch
Italien begriffenen, jungen Architekten Adolf GinzeP). Von den Dar-
') Die Procedur, mittelst welcher er seine Modelle und Abdrucke fertig stellte,
war trotz der durch die äußeren Umstände gebotenen Beschleunigung der Arbeit keines-
wegs so einfach. Die mehr brüchigen Fragmente modellirte Ginzel auf Schieferplatten
aus freier Hand in NVachs nach; die besser erhaltenen, welche eine directe Abformung
vertrugen, belegte er mit Stnnniol, trieb mit einem strulTen Pinsel die Contouren heraus,
ulhm hierauf die Stanniolmaske vorsichtig ab und uberstrich dieselbe mit Gypsmilch,
um sodann, nachdem die letztere erhärtet war, in die Hühlung heißes Modellirwachs zu
gießen. Sobald auch dieses hart geworden, musste die Stanniol- und Gypshülle vorsichtig
abgehoben, dann die noch rohe Wachsforrn auf die Schieferplatte übertrugen und da fertig
modellirt werden.